Auf die Barrikaden! Barrierefrei.

Dieses Internet ist ja Segen und Fluch zugleich. Wenn ich darüber nachdenke, wie viele Stunden ich pro Tag online bin, könnte ich meistens wohl nur noch meine Schlafstunden abziehen. Was nicht daran liegt, dass ich mit Surfen, Mailen, Schreiben oder Anstupsen irgendwas kompensieren will, sondern dass ich es für meine Kommunikation überaus wichtig finde. Gut, das Anstupsen vielleicht nicht so sehr, aber der Austausch, den man über das WWW betreiben kann, ist unglaublich.
Als Holger und ich über das richtige Medium für die Wheelmap nachgedacht haben, war unsere Überlegung nicht, ob wir es ins Internet stellen, sondern nur wie! Am besten gefiel uns die Idee, dass viele Menschen mitmachen können und somit eine kleine Bewegung entstehen kann für ein Thema, was jetzt nicht unbedingt den medialen Anreiz einer arabischen Revolution oder einer Finanzkrise hat, aber trotzdem sehr wichtig ist – nicht nur für 1,6 Millionen Rollstuhlfahrer. Unser Ziel war es damals nicht, dass wir ganz viele Fans auf eine Facebook-Page ziehen oder Newsletter verschicken, über die man dann auch auf andere Bewegungen oder Petitionen hinweisen kann. Wir wollten ganz einfach, dass Menschen an einer Plattform partizipieren können, um Medien zu zeigen: Das Thema ist wichtig!
Durch Sonderschulsysteme, Behindertenwerkstätten und eine Umwelt voller Barrieren hat man es jahrelang geschafft, dass Menschen mit Behinderung aus dem Gesellschaftsbild herausgehalten wurden. Obwohl in einem Café, einer Disko, im Supermarkt, an der Bar statistisch gesehen jeder Zehnte eine Behinderung haben müsste, sieht man niemanden.
Ich frage mich manchmal, warum wir uns nicht mehr Gehör verschaffen? Vielleicht ist es an der Zeit, mit Hilfe des Internets der Behinderten-Bewegung neuen Schwung zu geben. Projekte wie die Wheelmap sind doch nur ein ganz kleines Zahnrädchen im großen Ganzen. Wir könnten zum Beispiel Journalisten darüber aufklären, wie man heutzutage (nicht) über Menschen mit Behinderung berichtet. Blogs, Twitter und Facebook erleichtern den Austausch untereinander, und was noch wichtiger ist: die Kommunikation in eine, wie ich finde, interessierte Umwelt. Schon längere Zeit verfolge ich Julia Probst auf Twitter, die sich sehr engagiert dafür einsetzt, dass das Fernsehen auch für Gehörlose verständlich wird. Aber auch Christiane Link bloggt erfrischend selbstbewusst über die Unterschiede zwischen Großbritannien und Deutschland aus der Sicht einer Rollstuhlfahrerin. Heiko Kunert tut selbiges aus der Sicht eines Blinden. Ich könnte weiter aufzählen …
Im November letzten Jahres haben wir von Wheelmap es gemeinsam mit Kobinet Nachrichten und dem NDR geschafft, innerhalb von nur vier Tagen mehr als 25 Rollstuhlfahrer vor den Bundestag zu lotsen, um für einen Extra3-Beitrag auf die absurde Ausladung zum Tag der Menschen mit Behinderungen wegen zu vielen Rollstuhlfahrern aufmerksam zu machen.

Das war natürlich nur ein kleines Puzzlestück, aber es hat motiviert und gezeigt, dass es geht. Man kann auch den Sprung aus dem Internet in die Realität, auf die Straße oder in ein Gesetz schaffen.
Wenn wir bei den Sozialhelden über das Thema sprechen, sind wir meistens sehr optimistisch, weil viele Beispiele in der frühen Vergangenheit dafür sprechen, dass man Menschen mobilisieren kann. Wenn man sogar für Gesetzesvorhaben wie ACTA auf die Straße gehen kann, warum dann nicht auch für eine Brandschutznovellierung? Wenn das Internet dabei helfen kann, dass Minister und Bundespräsidenten zurücktreten, warum dann nicht auch bei einer Schulreform für mehr inklusiven Unterricht?

Kreativ sollte es sein!
Es wäre naiv zu glauben, dass für eine „Menschenrecht vs. Denkmalschutz“-Demonstration mehrere 10.000 Menschen wie bei der Anti-AKW- oder der Occupy-Bewegung auf die Straße gehen, und vielleicht ist das sogar nicht nachhaltig genug. Ich glaube, man braucht kreative Aktionen, die ein Nach- und Umdenken anstoßen. Frei nach dem Motto: „Nichts über uns – ohne uns!“ Und wo, wenn nicht im Internet, kann man sich dazu am besten inspirieren lassen und Verbündete finden?
Aber bevor ich kurz bei Facebook zurückstupse, noch die Frage: Kennt ihr weitere tolle Aktionen, die auf soziale Probleme von Menschen mit Behinderung öffentlich aufmerksam gemacht haben?
Für alle, die einen tollen Hinweis haben, wartet dann dieses Video von Pro Informis im Internet.

Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.



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