Warum barrierefreie Schutzräume gerade in Bangladesch wichtig sind. Und noch ein paar Worte zur Selbstkritik. #cbmbd14

In Gaibandha hatten wir die tolle Gelegenheit eine neu errichtete, inklusive Schule zu besichtigen. Sie bietet nicht nur Platz für 600 Schüler, sondern sie dient im Fall einer Flutkatastrophe (ca. 1x im Jahr) auch als barrierefreie Fluchtstätte mit sanitären Einrichtungen und Trinkwasserstation für maximal 700 Leute.

Während in Berlin die #Herbstferien sind, wird in #Ghaibanda (#Bangladesch) eifrig gelernt und gesungen. #cbmbd14
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Der Bedarf nach Schutzräumen ist groß. Rund 10.000 Menschen wohnen in der Region. Die Schule ist der einzige Ort für die Bevölkerung, Schutz zu suchen. Denn sie wurde extra 5 Meter höher gebaut, als die Schule davor.
Vor allem Menschen mit Behinderung blieben bei Hochwasser meist zurück. Eine Frau erzählte, dass ihr Bett extra angehoben wurde, damit sie nicht ertrinkt. Aber sie wurde nicht gerettet. Verbrachte 25 Tage alleine ohne essen und Toilette im Bett. Ohne zu wissen ob sie es überlebt. Um sie herum das Wasser.
Daher ist der Schutzraum barrierefrei. Damit Menschen mit Behinderung evakuiert werden können.

Gegen Nachmittag trafen wir dann Anjuara B. (28).


Sie arbeitet als Näherin und ist von Geburt an gehörlos. Beeindruckt hat mich am meisten, dass Sie mit ihren Verwandten eine eigene Gebärdensprache erfunden hat, um kommunizieren zu können. Sie kann weder lesen noch schreiben und merkt sich daher einfach alles, was sie braucht. Gebärden, sowie das Nähen erlernte sie durch das reine abkucken. Inzwischen näht sie für das ganze Dorf Kleider und merkt sich einfach die Maße ihrer Kunden, ohne sie sich notieren zu müssen.
In einem Monat bekommt sie, durch die CBM unterstützt, Gebärdensprachunterricht und erlernt die „richtige“ Gebärdensprache um mit mehr Menschen kommunizieren zu können.

Anjuara B. zeigt uns ihre selbstentwickelte Gebärdensprache. #cbmbd14
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Frau B. wohnt in einem von der CBM und ihren Partnern geförderten barrierefreien Haus. Mit Rampe und barrierefreier Toilette. So weit, so gut. Nur ist sie gehörlos und nicht in ihrer Mobilität eingeschränkt. Ihr Haus, wahrscheinlich sogar das ganze Dorf, hat keinen Strom. Ihr würde es in Ihrer Arbeit und auch zur Kommunikation „auf Sicht, mit den Augen Gebärden lesend“ aber sehr helfen, wenn Sie am Abend Licht hätte. Wieso wurde das beim Bau des Hauses für sie nicht bedacht? Vergessen? Übersehen? Nicht berücksichtigt? Ich weiß es nicht.

Nach meinem kritischeren Blogartikel gestern, würde ich gerne nocheinmal ein paar Dinge klarstellen.

An unserem zweiten Feedbackgespräch am Abend haben wir die Situation vor Ort mit den Projektverantwortlichen angesprochen und diskutiert. Die Einsicht war groß und nicht geheuchelt. Auch meine Kritik war diplomatisch und konstruktiv verstanden worden. Uns wurde versichert, dass unsere Anregungen ernstgenommen werden und Frau B. eine (Solar?) Lampe bekommen soll.
Gemeinsam kamen wir zu der Erkenntnis, dass die Erfassung der Bedarfe in den Dörfern verbessert und stetig aktualisiert werden muss. Und, wie bereits erwähnt, eine Flexibiltät in der Förderstruktur entwickelt werden soll. Das bedeutet, auch mal nach Links und nach Rechts vom aktuellen Rampenprojekt zu schauen und zu versuchen, ggf. mit anderen NGOs die Bedarfe von z.B. Augenkranken Menschen zu bedienen. Ohne diese Bereitschaft zur Zusammenarbeit der NGOs untereinander besteht die Gefahr, dass die Hilfe nur wenigen, spezifischen Behinderungen, zu Gute kommt.
Ich bin froh, dass wir wertvolle Hinweise den Projekten geben konnten und ich bin sehr zuversichtlich, dass diese auch ernstgenommen und Veränderungen stattfinden werden. Wir haben vereinbart, dass wir in regelmäßigen Abständen nachhaken und uns über den Stand der Entwicklungen informieren dürfen.
Natürlich sollte das oberste Ziel im Engagement rund um das Thema Menschen mit Behinderung die Selbsthilfe und die Selbstbestimmung sein. NGOs haben aber oft den Ruf, paternalistisch an das ganze heranzugehen. Also von oben herab und eher versorgend, sich kümmernd arbeiten.
Ich glaube aber auch, dass es auf dem Weg zur Selbsthilfe und zur Selbstbestimmung ein gewisses infrastrukturelles (soziales und materielles) Fundament braucht, um überhaupt eine Vernetzung/Befähigung/Aufklärung und Mobilität der Menschen zu ermöglichen. Das versucht die CBM vor Ort mit ihren Partnern umzusetzen. Zu glauben, dass beim Engagement alles reibungslos funktioniert, ist naiv. Wichtig ist viel mehr, die Bereitschaft der NGOs an sich zu arbeiten und ständig besser werden zu wollen. Mit dem Ziel, irgendwann selber einmal nicht mehr benötigt zu werden.
Ich habe die Reise und die Erfahrungen wie ein Schwamm aufgesogen und würde jederzeit wieder mit der CBM zusammenarbeiten und Menschen vor Ort kennenlernen.



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