Zwischen Sorgenkind und Superkrüppel

Ich bin seit meiner Geburt behindert. Meinen Eltern verdanke ich, dass sie immer versucht haben, mich so „normal“ wie möglich zu erziehen. Sie legten großen Wert darauf, dass ich keine Sonderbehandlung bekam, die sich nur aus der Tatsache meiner körperlichen Einschränkungen ergab. Keine Benachteiligung, aber auch keine Bevorzugung: Ich sollte als selbständiger Mensch heranwachsen und meine Behinderung als „normal“ und nicht als „schlimmes Schicksal“ wahrnehmen lernen.
Aber je älter ich wurde, desto häufiger merkte ich, wie mir von meinen Mitmenschen das untrügliche Gefühl gegeben wurde, dass ich anders bin als andere. Neben meiner körperlichen Einschränkung – durch die ich selber nur zu oft erfuhr, was es zum Beispiel bedeutet, dass Treppen unüberwindbare Hindernisse für mich sind, während sie für andere selbstverständlicher Teil des Alltags sind – stellte ich oft auch ein verändertes Verhalten meiner Mitmenschen fest. Sie gehen anders mit mir um als mit Menschen ohne Behinderung, sie reagieren verschüchtert, irritiert, bemitleiden mich oder lassen mir übertriebene Fürsorge und Anerkennung zukommen. Neben dem alltäglichen Anstarren erlebe ich entwürdigendes Verhalten, wenn mir über den Kopf gestreichelt oder auf die Schulter geklopft wird. Auf der Straße treffe ich Menschen, die mir Geld zustecken. Es darf vermutet werden, dass diese Behandlung mit darin begründet liegt, dass es im Alltag und durch die Medien zu wenig Kontakt mit Menschen mit Behinderung gibt.
Als bemitleidenswert gelte ich oft aus dem – offenbar von vielen vorausgesetzten – Grund, dass ich es angeblich „so viel schwerer“ habe. Dass der Alltag eines Menschen mit Behinderung oft in der Tat „schwerer“ oder mit „mehr Aufwand“ zu bewältigen ist, spielt dabei eine nebensächliche Rolle. Entscheidend ist, dass mit dem Mitleid unwissentlich Minderwertigkeit ausgedrückt wird. Viele Menschen bemühen sich im Umgang mit Menschen mit Behinderung, nichts falsch zu machen und wirken manchmal etwas hilflos und verkrampft. Als überkompensatorisches Verhalten dient mitunter übertriebene Freundlichkeit, Fröhlichkeit und Bewunderung. Erfolge, die ich zu verzeichnen hatte, wurden stets übergebührlich hervorgehoben und übertrieben gelobt. Als ich laut darüber nachgedacht habe, meinen Job zu kündigen, wurde mir aufgeregt der Rat erteilt, dies bloß nicht zu tun – wer könne schon sagen, ob ich noch mal „etwas bekommen“ würde.
Allgegenwärtig ist die Erfahrung, nicht gleichwertig wahrgenommen zu werden. Am deutlichsten wird dies, wenn ich in Begleitung unterwegs bin, die grundsätzlich als verantwortliche Ansprechperson wahrgenommen wird und an die Fragen gestellt werden, die eindeutig an mich gerichtet sind. So auch in der Bank, wenn ich in Begleitung meines Assistenten meine Bankangelegenheiten regeln will, aber sämtliche Aussagen und Handlungen der Bankangestellten an meinen Assistenten gerichtet und nur er per Augenkontakt adressiert wird. Obwohl er zu keinem Zeitpunkt etwas sagt, auf die Blicke nicht reagiert und nur ich Antworten gebe und Fragen stelle, wird fortgesetzt verweigert, mich als Gesprächspartner zu akzeptieren, selbst nachdem das Gegenteil offensichtlich geworden ist.
Diese Formen herabsetzender Behandlung, die rein auf meine Behinderung zurückzuführen sind, zeigen sich auch regelmäßig mit Menschen, die es eigentlich „gut“ mit mir meinen. Privatere Themen wie Sex, Beziehung, Alter und Freizeit werden grundsätzlich ausgeklammert. Zu Geburtstagen werde ich oft nicht eingeladen, bei Partys nicht gefragt und bei Urlaubsplänen außen vor gelassen, weil die peinliche Situation vermieden werden soll, in der gemeinsam erkannt wird, dass die entsprechende Aktivität nicht barrierefrei möglich ist. Ich habe oft das Gefühl, dass Menschen, die in alltäglichen Situationen das Gespräch über meine Behinderung suchen, gerade dadurch eine unangenehme Situation schaffen, dass sie krampfhaft „normal“ mit mir umgehen wollen – gerne auch unter explizitem Verweis darauf, dass man sich persönlich schon mit der „Problematik“ auseinandergesetzt habe. Meine Behinderung wird dann, gegen meinen Willen, doch zum Thema und mehr, zum Mittelpunkt der Diskussion, obwohl ich persönlich daran nicht immer Interesse habe. In solchen Situationen wurde ich wiederholt mit der Aussage konfrontiert: „Ich finde es toll, wie du mit deiner Behinderung umgehst.“ Mit dem Gestus, wie schön es doch sei, dass man so offen und ungezwungen über alles reden könne, suhlt man sich in der eigenen Toleranzfähigkeit. Ob ich will oder nicht – ich werde immer und zuallererst mit meiner körperlichen Beschaffenheit identifiziert. Diese Stigmatisierung zeigt sich selbst an dem merkwürdig kollegialen Gruß, mit dem sich „Rollstuhlfahrer“ untereinander begegnen, um sich als „Leidensgenossen“ zu verbrüdern.
Ich habe – bis zu einem gewissen Grad – gelernt, mich im Kontakt mit unbekannten Menschen gegen konstante Herabwürdigung durchzusetzen. Dabei hat sich gezeigt, dass ich den ersten Schritt machen muss, damit sich die Situation, die zunächst immer verstockt und unangenehm ist, entspannt. Hauptsächlich kommt dabei Humor, Ironie und Sarkasmus zum Einsatz, um das Eis zu brechen – auch wenn ich dadurch bei den Kollegen als Clown mit ewig guter Laune verschrien bin. Eine subtile Methode der Abwehr ist auch die dezente Provokation durch das Einstreuen „pikanter“ Informationen in Nebensätzen: Indem ich selbst die Stichworte liefere, die einem allgemeinen Tabu zu unterliegen scheinen, löst sich die anfänglich immer bestehende Spannung.
Offeneren Formen von herabwürdigendem Mitleid begegne ich aber auch mit Kampfeslust. Steckt man mir Geld zu, lehne ich gerne mit dem Satz ab: „Ich verdiene wahrscheinlich mehr als Sie.“ In anderen Fällen muss ich nur ruhig und sachlich auf meiner Position beharren, um die Situation zu „klären“. Will ein Busfahrer wegen angeblich bereits bestehender Verspätung die Rampe nicht herausholen, blockiere ich die Tür. Diese Menschen sind nicht in einem besonderen Maß behindertenfeindlich, sie sind schlicht zu jedem unfreundlich. Daher reicht hier der Verweis auf mein verbrieftes Recht. All diese Formen der „Sonderbehandlung“ sind eine grundlegende Lebenserfahrung, die sich bis heute fortsetzen. Für mich ist das insofern bemerkenswert, dass ich mein Leben lang bemüht war, mich durch meine Taten und meinen Charakter der Welt zu stellen, nicht „als Mensch mit Behinderung“. Wegen meiner Behinderung bewertet, gemessen und wahrgenommen zu werden, ist das Letzte, was ich will – mehr noch: Es verletzt mich. Zweifelsohne bedeutet diese Situation ein enormes Spannungsverhältnis, einen ständigen Spagat, weil ich meine Behinderung nicht leugnen kann oder möchte, ja durch sie sogar bisweilen eine Art „Expertenstatus“ habe. Zu hinterfragen wäre, woher diese Unsicherheit meiner nichtbehinderten Mitmenschen mir gegenüber kommt. Die Antwort ist – soviel lässt sich sagen – vielschichtig und komplex.
Die Auseinandersetzung mit dem Thema „Behinderung“ ist noch immer mit tiefen Vorurteilen beladen – auch bei mir selbst. Nach Jahrhunderten der Ausgrenzung und „Verwaltung“ von Menschen mit Behinderung in Sondereinrichtungen, ihrer Einstufung als „unwertes Leben“ und Vernichtung während des Nationalsozialismus sowie mangelhafter Integration und fortwährender Stigmatisierung hierzulande, sind längst nicht alle historischen und sozialen Barrieren beseitigt. Zu fordern wäre nicht weniger als ein Perspektivwechsel gemäß der Disability Studies: Nicht die Menschen mit Behinderung müssen auch am Leben der Nichtbehinderten teilnehmen können, ganz umgekehrt müssen Menschen ohne Behinderung ein Recht darauf haben, mit Menschen mit Behinderung zu sammenzuleben. Die Akzeptanz der sozialen Barriere wird in dieser Perspektive verweigert und entlarvend gegen ihre Erzeuger gewendet. Denn nach Ansicht der modernen Disability Studies ist „Behinderung“ das Produkt von abwehrenden Gefühlen, welche beim Anblick ungewöhnlicher Körper ausgelöst werden. Dieser die Behinderung zuschreibende Blick derjenigen, die sich dadurch selbst als „normal“ definieren können, produziert auch die „Unheimlichkeit“ der Behinderung. Damit wird die übliche Perspektive umgekehrt: Behinderung wird zum sozialen Abwehrkonstrukt, mit welchem dem Unwohlsein über die Fragilität des eigenen Körpers etwas entgegengesetzt werden soll. Behinderung ist daher kein Thema, das nur Menschen mit Behinderung betrifft. Das soll nicht heißen, dass Nichtbehinderte eine Pflicht hätten, sich mit dem Thema auseinanderzusetzen, damit sie Menschen mit Behinderung akzeptieren können – obwohl auch dies sicherlich oft angebracht wäre. Aber wenn ich Behinderung als ein zentrales Thema der Gesellschaft betrachte, dann nicht, weil ich selbst behindert bin, sondern weil die Art und Weise, wie in der Gesellschaft mit Menschen mit Behinderung und Behinderung umgegangen wird, etwas über diese selbst verrät. Am Grad der Integration lässt sich das Verhältnis der Gesellschaft zu Körperlichkeit, Krankheit, Leid und Tod im Allgemeinen ablesen und eine Auskunft über das Verständnis von Solidarität und Mitmenschlichkeit erlangen. Allerdings müssen sich auch Menschen mit Behinderung fragen, wie sie gesehen werden wollen und sich entsprechend verhalten.
Aus der Erziehung meiner Eltern und meiner persönlichen Einstellung entwickelte sich während des Studiums die Absicht, nicht zum Thema Behinderung zu forschen – oder gar meine Diplomarbeit über die betreffenden Problematiken der Disability Studies zu schreiben. Auch wenn ich diese Absicht nach einigen Jahren wieder aufgegeben habe. Während des Studiums beschloss ich, dass ich keine Sonderrolle einnehmen möchte und schwor mir, kein „Berufsbehinderter“ zu werden, der sich die gesellschaftliche Zuschreibung „Behinderter“, unter der er leidet, auch noch affirmativ auf die Visitenkarte schreibt. Denn aus der Sicht nichtbehinderter Menschen könnte ein solches Interesse zudem als Selbsttherapie, als überzogener Bewältigungsversuch der eigenen Situation bewertet werden.
Ich wollte nicht einer dieser Vorzeigeminderheitenvertreter sein, den man zu jeder Gelegenheit zum Thema befragt, weil ich „als Behinderter“ über Bedürfnisse und Belange von Menschen mit Behinderung so viel besser Bescheid wüsste und für sie sprechen könne. Ich studierte Gesellschafts- und Wirtschaftskommunikation an der UdK Berlin, weil es mir als praxisnahes Studium galt und mich der Konsum und die Produktion von Medien und Werbung interessierten. Ich entwickelte Kampagnen für große Unternehmen und merkte wie nur selten, dass ich auch durch meine Taten respektiert wurde und nicht nur durch die Tatsache meiner Behinderung.
In der Hoffnung, die Beschäftigung mit dem Kapitel Behinderung für mich dadurch vorerst abschließen zu können, habe ich mit meiner Diplomarbeit eine Verbindung zwischen meinen medienwissenschaftlichen Studien und meiner höchst persönlichen Lebens- und Erfahrungswelt hergestellt, auch wenn sich aus der Themenstellung dieser Arbeit zweifellos ein gewisses Distanzproblem ergab. Mich hatte das Gefühl beschlichen, dass ich mich noch einmal mit dem Thema auseinandersetzen muss. Es schien mir, dass ich vor meiner Behinderung weglaufe und ich hatte das Gefühl, dass es Zeit wäre, sich ihr inhaltlich zu stellen. Eine Einladung in die Jury des „International Disability Film Festival – Wie wir leben 2009“ in München zeigte mir, wie spannend es sein kann, sich der Frage zu widmen, wie und in welcher Form sich die Massenmedien mit dem Thema „Behinderung“ beschäftigen. Über 100 Filme, in denen Menschen mit Behinderung als Protagonisten vorkamen oder die sich mit den sozialen Bedingungen und Folgen von Behinderung auseinandersetzten, habe ich gesehen und bewertet: Einerseits anhand von ästhetischen Kriterien und andererseits entlang der Frage, wie mit dem Thema Behinderung umgegangen wird. Was mir dabei auffiel und was mich zunächst überraschte, war, dass sich die auf dem Filmfestival gezeigten Filme radikal von den Filmen, Berichten und Reportagen unterschieden, die im Fernsehen gesendet wurden. Sie gingen fortschrittlicher, offener und ehrlicher mit dem Thema Behinderung um, als ich es von den üblichen TV-Formaten und den Spiel- und Fernsehfilmen gewohnt war. Diese Erfahrung bildete den Hintergrund der Entscheidung – entgegen meiner erklärten Absicht, nicht zum Fachtheoretiker für Disability Studies zu werden – meine Diplomarbeit über die Darstellung von Menschen mit Behinderung im Deutschen Fernsehen zu schreiben und dieses Blog über mein Leben als Rollstuhlfahrer zu führen.



45 Antworten zu “Zwischen Sorgenkind und Superkrüppel”

  1. Guter Beitrag zu einem alten Problem. Manches sehe ich aber doch ein bisschen anders. Als ich nämlich drüber nachdachte, wie ich als „Normalo“ denn auf Behinderte reagiere, fiel mir auf, dass die Problematik, nur aufs Äußere reduziert zu werden, nicht nur Behinderte betrifft. Ich als recht zierliche Frau erlebe öfter, dass (vor allem, aber nicht nur) Männer mit einer Mischung aus übertriebener Höflichkeit und augenzwinkernder Frechheit auf mich reagieren. Als ich neulich einen großen Lieferwagen gemietet hatte und ihn auf dem Parkplatz nicht gleich fand, fragte ich einige dort ihre Mittagspause verrauchenden Arbeiter nach dem Standort des Wagens. Ich bekam die gewünschte Antwort, gewürzt mit einem nicht unhöflichen, aber deutlich anzüglichem Grinsen und dem Satz: „Na bist du da nicht bisschen klein dafür?“
    Prinzipiell habe ich aber kein Problem mit so einer „Anmache“ – weil ich spüre, dass sie wirklich nicht böse gemeint ist. Manch einer würde sich vielleicht schon über das vertrauliche „Du“ ärgern. Ich nicht – ich schieße einfach zurück. Meine Antwort war: „Sicher, Jungs, ich kompensiere das mit dem großen Wagen.“ Worauf wir alle herzlich gelacht haben. Und unter uns – ich konnte das Ding schon fahren, aber zur Handbremse musste ich doch verdammt weit runterangeln und bin da jedesmal komplett unter der Windschutzscheibe abgetaucht…
    Auch als Mutter mit Kinderwagen erlebe ich oft, dass Menschen beiderlei Geschlechts sehr zuvorkommend reagieren und mir helfen wollen, wo ich ganz klar gar keine Hilfe nötig habe. Man muss den Kinderwagen nicht in die Straßenbahn „heben“, wenn diese ebenwerdig steht. Man muss nicht von seinem Platz aufspringen, wenn die ganze Bahn leer ist und ich mich gut daneben setzen kann. Solche Sachen halt. Ich finde sowas aber nicht beleidigend – im Gegenteil. Es ist mir allemal lieber als die andere Sorte Mensch, die überhaupt nicht reagiert und mich den Kinderwagen mühsam allein eine Treppe heraufbuckeln lässt. Aber ehrlich – letztgenannte Leute sind sehr selten.
    Ich gebe zu, dass meine Perspektive noch eine andere ist als Ihre – und solche Geschichten wie die mit dem zugesteckten Geld sind ja wirklich echt daneben. Aber ich hab auch schon Rollstuhlfahrer gefragt, ob sie Hilfe benötigen. Ich kann daran nichts Falsches sehen. Es ist eben für einen Menschen, der auf zwei gesunden Beinen unterwegs sein darf, eigentlich niemals durchschaubar, mit welcher Situation der „Behinderte“ neben einem nun konfrontiert ist. Sicher, wenn er Hilfe braucht, kann er mich auch fragen – aber muss man denn immer erst auf eine Bitte warten, bevor man anderen hilft? Heißt es nicht, dass man selber Augen im Kopf hat und auch mal von sich aus handeln sollte? Wie ist es denn nun richtiger? Nicht übertrieben höflich, aber auch nicht unhöflich, bitte nicht zu fröhlich, aber auch nicht zu bestürzt, bitte keine Floskeln, aber was sind schon keine Floskeln im Gespräch mit wildfremden Leuten? – und möglichst immer abschätzen können, was der fremde „behinderte“ Mensch neben mir jetzt konkret von mir erwartet. Das kann ich nicht, sorry, genauswowenig, wie ich es bei allen anderen Leuten kann. Mir ist es auch schon passiert, dass ich von einer Frau als ausländerfeindlich beschimpft wurde, nur weil ich sie freundlich darum bat, sich doch bitte hinten anzustellen wie alle anderen auch. Klar, ich hab das nur gemacht, weil sie dunkelhäutig war, und nicht etwa, weil ich es nicht einsehe, noch länger in der Schlange zu warten, nur weil jemand meint, einfach vorgehen zu wollen… also wirklich! Da hab ICH mich beleidigt gefühlt, aber was will man machen? Ich habe sie genauso behandelt wie ich jeden anderen behandeln würde, aber das war offensichtlich falsch. Ich persönlich finde es sehr schwer, immer abzuschätzen, was nun richtig ist. Aber bevor ich wie ein Stoffel neben jemandem im Rollstuhl stehe und nicht muh und nicht maff sage, frage ich lieber.
    Klar, da gibt es die Story von dem älteren Mann, der einfach nur am Straßenrand steht und plötzlich von einem wohlmeinenden Passanten kommentarlos über die Straße gezerrt wird. Obwohl er gar nicht rüber wollte. Eine Geschichte, die gern erzählt wird, und sie ist ja auch witzig (solange sie nicht real passiert). Aber manchmal sind Dinge schon offensichtlich. Also, wenn meine Oma sich beschwert, dass so viele Leute laut mit ihr reden, was Unsinn ist, weil sie sehr gut hört, dann sagt sie: Die behandeln mich ja wie ne alte Frau! Neulich konnte ich es mir dann doch nicht verkneifen zu antworten: Oma, du bist 92, das IST alt, aus der Perspektive der meisten anderen Leute… 😉 Naja, und wenn da einer steht im Rollstuhl oder wahlweise mit nem Kinderwagen wie ich, der sieht halt für andere hilfebedürftig aus. Und sind wir es nicht auch manchmal?
    Damit wir uns nicht falsch verstehen – ich erfasse die von Ihnen geschilderte Problematik
    durchaus und will mich nicht darüber lustig machen. Und wenn man schon so viele unangenehme, herabsetzende Situationen erlebt hat wie Sie, verstehe ich auch, dass man manchmal vielleicht eher „hochgeht“ als ein anderer. Aber für den, der Sie das nächste Mal fragt, ob er ihnen behilflich sein sollte, ist es vielleicht der erste Kontakt mit Ihnen. Der meint das dann wirklich ehrlich und freundlich. Und ist allemal ein besserer Kandidat als ein Starrer, Ignorierer, Tuschler oder „peinlich-berührt-Wegseher“ – oder nicht?
    Liebe Grüße
    Dorit

  2. Hallo Raul,
    ein wunderbar zu lesender Artikel. Er gibt einen plastischen Einblick in das Leben vieler Menschen unserer Gesellschaft, die stets als etwas anderes, aber nicht als „normal“ gesehen werden.
    Ich denke diese Tatsache rührt daher, dass alle Menschen drumherum auch ständig der Bewertung anderer unterliegen. Sei es im Job, in der Beziehung, in der Familie oder im Freundeskreis. Das führt dazu, dass ein Großteil ständig selbst an Äußerlichkeiten arbeitet um „besser“ dazustehen. Und diesen Drang zur Bewertung wenden sie dann auf alle anderen an, um Vergleiche zu haben.
    Ich glaube ein Großteil dieses Phänomens ist dem Wettbewerbscharakter unserer Gesellschaft geschuldet. Und wir wissen ja alle, dass es eine „Wettbewerbsgesellschaft“ ist. Ein Gegeneinander. Wäre es ein Miteinander, wäre zumindest der Zwang zur ständigen Selbstbewertung und damit auch zum Vergleichen auf großer Skala verschwunden.
    Und darauf möchte ich hinaus: Die Welt ist verstärkt in einem Wandel, hin zu einer Gesellschaft, die versucht alle Menschen zu integrieren, zu unterstützen, um den Freiheitsradius eines jeden einzelnen so weit wie möglich auszudehnen. Das ist noch nicht in den Medien oder der Mainstream-Politik zu sehen, aber vielleicht interessiert dich, was da gerade passiert.
    Viel Erfolg bei deinen Projekten und ich glaube, dass die beschriebene Entwicklung auch dir ein Leben ermöglicht, dass du als ein schönes bezeichnen kannst.
    Mit freundlichen Grüßen,
    Fl’âme, Global Society Blog
    http://globalsocietyblog.wordpress.com

  3. Lese mir selten einen derart langen Beitrag komplett durch, diesen allerdings musste ich bis zum Ende lesen, da er die „Probleme“, die ich als Nichtbehinderter im Umgang mit Behinderten manchmal dann doch habe, sehr schön auf den Punkt bringt.
    Ich werd‘ mir das ganze nochmal durch den Kopf gehen lassen – vielleicht gelingt es mir dann, andere nicht mehr, bewusst oder unbewusst, herabzusetzen.
    😀

  4. toll geschrieben.
    ich versuch es jetzt mal aus der sicht einer mutter zu beschreiben 😉
    so sehr man es als mutter oder vater versucht, das kind mit handicap normal aufwachsen zu lassen, ganz 100% wird es nie funktionieren. das ist fakt, ich mache mir mit sicherheit auch oft mehr sorgen , was aber auch einfach an unserer langen krankengeschichte liegt. für mich ist mein sohn auch immer irgendwie besonders tapfer, und stark. vorallem weil er den alltag und seinen therapiealltag wunderbar meistert.
    mit den mitmenschen ist das so eine sache. jetzt wo francis älter wird, ist es natürlich mehr und mehr sichtbar, das ‚etwas nicht stimmt‘. und mir ist auch schon aufgefallen, dass viele immer mit mir über ihn reden. mein sohn wird fünf, er kann normal reden und ist sehr clever, aber es spricht ihn nie einer direkt an! seit circa einem jahr merke ich , dass franzl es aber sehr wohl kapiert ,dass über ihn geredet wird, deswegen blocke ich solche gespräche vor ihm eigentlich lieber ab. es wirkt irgendwie , als wäre er gar kein voll ernst zunehmender mensch. oft ist es auch so, dass andere , wenn ich sowas erzähle , mir das nicht so richtig glauben. ich mag mich täuschen, ist eben ein gefühl.
    viele menschen gucken auch immer so mitleidig, ich hasse das so sehr. mein sohn hat zwar ein körperliches handicap , aber er ist trotzdem ein glückliches kind. ihm geht es gut und lacht und singt sehr viel.
    ich fühle mich in einigem bestätigt, was du geschrieben hast. und oberstes ziel ist für uns auch, dass francis selbstständig leben kann, einen vernünftigen abschluss macht und später glücklich ist. für uns ist das auch ein langer lernprozess, und viel arbeit .
    liebe grüsse
    sandra 🙂

  5. Ich habe als „Normalo“ gelegentlich den fatalen Eindruck, egal wie man es macht, man macht es falsch. Ignoriert man, dass sein Gegenüber nichts hören kann, blind ist oder auf einem schwerfälligen Elektrorollstuhl sitzt, dann ist man rücksichtslos. Versucht man hingegen, das, was man sieht, einzuordnen und sein Verhalten darauf einzustellen, dann ärgern sich die Behinderten darüber, dass man sie „besonders“ behandelt. Gelegentlich beschleicht mich dabei das Gefühl, dass es am Ende des Tages auch darum geht, dass der Behinderte die Last, die sein Behindertsein ihm aufbürdet, zumindest ein Stück weit auf andere abwälzen will.

  6. Vielschichtiges Thema. Aber sehr sehr richtig, was Frau Doris dazu geschrieben hat!
    Ich finde es schwierig, wenn Menschen erwarten, dass andere Menschen wissen, was sie erwarten. Das funktioniert in den allermeisten Fällen nicht. Dazu bedarf es immer erst mal vorsichtiger Kommunikation und natürlich entstehen aus falschen Ahnungen Missverständnisse.
    Aber: wieviel weniger würden Menschen miteinander reden, wenn nicht dauernd Missverständnisse ausgeräumt werden müssten.
    Ich weiß nicht mehr, welcher Psychoanalytiker die These aufgestellt hat, aber ich finde sie sehr richtig: der Mensch existiert nicht für sich allein, er ist immer das Ergebnis der Reflexion durch andere Menschen (oder so ähnlich).

  7. Moin!
    Ich habe den Artikel eben nur quergelesen, er ist es aber wert, ihn intensiv zu lesen. ich glaube, dass viele Probleme, die Nichtbehinderte (wie ich) mit Behinderten (btw: Ist das die politisch korrekte Bezeichnung?) haben, darauf gründen, dass wir gerade in der Kindesphase kaum Kontakt zu Kindern mit Behinderungen hatten.
    Lange Zeit wurden Behinderte ja von der Gesellschaft separiert, indem sie in eigene Schulen geschickt wurden. Aus meiner Sicht können integrative Maßnahmen (gegen die sich leider immer wieder Eltern nichtbehinderter Kinder sperren) da sehr gut helfen.
    Mit Behinderten ist es ja praktisch ähnlich wie mit anderen Randgruppen. In einem Dorf im tiefsten Bayern wird z.B. ein Schwarzafrikaner auffallen und sicherlich anders behandelt werden als der selbe Afrikaner, wenn er in Hamburg wohnen würde – wo der Multikulturelle Mix absolut normal ist.
    Wenn man nie Erfahrung mit dem Kontakt gesammelt hat, ist man automatisch verkrampft. Man fühlt sich unsicher, ob man in ein Fettnäpfchen treten könnte, vermeidet Themen, Blicke, …
    Ich ertappe mich ja selber dabei. Ich versuche, mich normal zu verhalten, frage mich aber auch immer, was richtig wäre.
    Sehe ich einen Blinden, der irgendwo langläuft, werde ich nicht an seine Seite springen, um ihn die Treppe rauf oder runter zu bringen. Aber soll ich ihn vorsorglich darauf ansprechen, dass wenige Meter vor ihm eine Baustelle ist? Wird er sich darüber freuen oder wird er es als unnötige (ungewollte) Hilfe verstehen?
    Ich habe mir zu diesem Thema schon viele Gedanken gemacht, bin aber zu keinem endgültigen Schluss gekommen.
    Michael

  8. Ein sehr guter Artikel. Ich habe drei Geschwister und unsere älteste Schwester ist schwerbehindert. Ich kann mich bis heute nicht erinnern, wann ich als Kind eigentlich wahrgenommen habe, dass meine Schwester „anders“ ist. Für uns war/ist sie nicht behindert, sie ist schlicht und einfach unsere Schwester. Die Berührungsängste und Unsicherheiten anderer Menschen meiner Schwester gegenüber habe ich allerdings oft mitbekommen. Für mich hat das v.a. zwei Gründe:
    Der Kontakt zwischen behinderten und nicht-behinderten Menschen findet zu selten statt. Und zwar v.a. im Kindesalter. Kindergärten und Schulen, wo behinderte und nicht-behinderte Kinder zusammen spielen und lernen, sollten viel selbstverständlicher sein. Das baut Berührungsängste ab. Die Leute sind immer ganz entsetzt, wenn ich erzähle, dass wir unsere Schwester als Kinder auch mal geärgert haben und mit ihr gerauft haben. Ich denke mir dann immer: Ja was sollen Geschwister denn sonst miteinander machen? Sie hatte und hat durchaus ihre Möglichkeiten sich durchzusetzen, auch sie hat uns geärgert. Wenn sie mir als 5-jährigem meinen geheimes Gummibärchen-Versteck leergeräumt hat, ja dann war sie ne „blöde Kuh“ und ich hab versucht meine Gummibärchen zurückzubekommen. So einfach war das.
    Die Unsicherheit wird meiner Meinung nach v.a. auch durch Leute verstärkt, die selbst nicht behindert sind und auch keinen näheren/regelmäßigen Kontakt zu Behinderten haben. Die aber meinen sie müssten sich zum Fürsprecher „unterdrückter Gruppen“ machen (als ob Behinderte nicht für sich selbst sprechen könnten). Dadurch entsteht ein Klima der Unsicherheit und wenn jemand dann in eine Situation kommt, wie sie Raul schildert, hat er 200 mögliche Fehler/Peinlichkeiten/Diskriminierungsarten usw im Kopf und heraus kommt ein total unnatürliches Verhalten. Man sollte nicht so viel Angst haben auch mal was falsches zu sagen oder zu machen. Als ob das das Gegenüber gleich aus der Bahn werfen würfe.

  9. @Ike:
    Das ist jetzt zwar wirklich Off-Topic, aber als einer, der im „tiefsten Bayern“ aufgewachsen ist, kann ich mir den Kommentar doch nicht verkneifen: Ein mulitkultureller Mix und MitbürgerInnen welcher Hautfarbe auch immer sind auch auf dem bayerischen Dorf im 21. Jahrhundert selbstverständlicher Alltag. Sorry, aber man soll ja immer zum Abbau von Vorurteilen beitragen 😉

  10. Was Dorit gesagt hat.
    Alles was Sie beschreiben könnte man auf andere Andersartigkeit genau so beziehen. Frauen in einer Männerwelt. Ausländer die nicht Deutsch sprechen beim Arbeitsamt (mein Bruder hatte gestern den Fall dass eine Frau mit Ehemann aus England der nicht Deutsch spricht beim Amt generell angesprochen wurde und der Mann überhaupt nicht. Im Endeffekt nahm er am Gespräch überhaupt nicht teil).
    Man könnte im Prinzip überall „behindert“ rausnehmen und „fettleibig“ einfügen. Stellen Sie sich einfach vor Sie wögen 300 Kilo. Oder eine Hasenscharte. Oder Neurodermitis. Oder Sie wären einfach eine Frau, wie Doris das schon sagte. Kommt so ziemlich auf’s Gleiche raus.
    Ich bin 8 Jahre in Bielefeld Bethel zur Schule gegangen. Ich hatte auch viel mehr Stress mit Nicht-Behinderten als mit den Behinderten, weil jeder sich gegenseitig mit dem „richtigen“ Verhalten benasweisen wollte, während die Behinderten als Einzige eben NICHT mit mir darüber reden wollten, wie ich sie denn jetzt am besten behandeln sollte.

  11. Sehr interessanter und – auch wenn Sie das wohl nicht hören wollen – bewegender Text. Es schmerzt teilweise, die enttäuschenden Erfahrungen und erniedrigenden Verbitterungen nachvollziehen zu müssen. Aber: Sie bieten wenig konkrete Lösungen ((ausser dass man Sie als absolut „vollwertige“ (was für ein schrecklicher Begriff in diesem Zusammenhang, aber Sie werden wohl wissen wie ich es meine) Person und Persönlichkeit erleben sollte)) an. Und Sie verbitten sich jegliche Art von „Hochachtung“, denn dies wäre nur dem Zufall Ihres Zustands geschuldet und damit obsolet.
    Meine Nachbarin ist alleinerziehende Mutter von 2 kleinen Kindern, und ich finde es TOLL, wie sie ihren Alltag meistert. Und genau dies sage ich ihr auch. Ohne dabei herabzublicken, oder mich selber durch mein ach so großes Verständnis zu überhöhen. Sie freut sich, weil sie merkt, dass jemand sich die Mühe gemacht hat, sie und ihre Situation halbwegs realistisch einzuschätzen. Sie fühlt sich in keiner Weise herabgesetzt oder reduziert, wenn ich ihr sage, dass es mir imponiert, wie klug und bedacht sie mit ihrer nicht einfachen Lebenslage umgeht.
    Wie soll man mit Ihnen umgehen? Am besten einfach die Lebenssituation NICHT wahrnehmen, das klingt aus Ihrem Text heraus. NICHT Rücksicht nehmen, KEINE Sonderrolle zuweisen, NIE das Handicap (jetzt nehm ich den Begriff dann doch mal) thematisieren. Was ist so furchtbar schlimm daran, wenn man allerdings doch so etwas wie „Mitleid“ empfindet? Ich weiss, so was ist nicht hilfreich, alles andere als erwünscht und ändert auch nix an Ihrem Leben. Aber es ist wahrscheinlich ehrlich gemeint und muss nicht sofort verlogener Selbstbetrug sein.
    Ich selber bin zu 100% schwerbehindert. Glaubt mir kein Mensch, der mich sieht oder trifft. Resultiert aus HIV und daraus entstandenem seltenem Krebs, und bin nun, mit Anfang 40, in einer Randgruppe angelangt. Ich jobbe ein bisschen nebenbei als freier Journalist, bin ansonsten Hausmann. Und kann mittlerweile annehmen, wenn Menschen mir sagen, dass sie es – wie auch immer geartet – schätzen können, wie ich mit meinem Leben umgehe.
    Aus Ihrem Text klingt – neben der schon oft und vielmals heruntergeleierten Litanei, dass man als Gehandicappter doch bitte genau so behandelt werden will wie diejenigen, die den Normen entsprechen – so viel Wut über den Ist-Zustand, dass ein klein bisschen Hilfe-Stellung vielleicht auch angebracht wäre.

  12. Eine sehr gute Analyse, der ich fast komplett zustimme. Fast. Du schreibst:
    „Allerdings müssen sich auch Menschen mit Behinderung fragen, wie sie gesehen werden wollen und sich entsprechend verhalten.“
    Richtig. Aber wenn man deinen Artikel liest, muß man feststellenl, daß du das an einer Stelle zumindest selbst nicht in der Art tust, wie du es dir von Nichtbehinderten wünschst. Zitat:
    „Diese Stigmatisierung zeigt sich selbst an dem merkwürdig kollegialen Gruß, mit dem sich “Rollstuhlfahrer” untereinander begegnen, um sich als “Leidensgenossen” zu verbrüdern.“
    Was ist daran merkwürdig? Ich sehe das zunächst mal als Ritual an, das sich nun mal in einigen Peer Groups etabliert hat, so auch unter „uns“ Rollstuhlfahrern. Aber eben. nicht nur bei „uns“, sondern zum Beispiel auch unter Brummifahrern und Bikern, die sich, wenn sie sich auf der Straße begegnen, ohne sich zu kennen, ebenso grüßen. Nach deiner Logik müßten sich diese beiden Peer Groups damit genauso stigmatisieren. Und ich glaube, auf die Idee käme bei Brummifahrern oder Bikern kein Mensch. Warum aber kommen „wir“ Rollstuhlfahrer bei „uns“ auf diese – wie ich finde – ziemlich absurde Idee, daß dieses verbreitete Ritual in genau diesem speziellen Falle eine Stigmatisierung sei und wir uns als „Leidensgenossen“ grüßen würden? Die Antwort darauf kann nur lauten: weil wir uns selbst als solche sehen und es als Stigmatisierung empfinden, obwohl es augenscheinlich gar keine ist. Und da sind wir wieder bei der Frage, wie wir uns selbst sehen wollen. Wenn wir ehrlich sind, ist da auch nicht alles Gold, was glänzt, und wir tragen mit solchen Sichtweisen, die völlig harmose Rituale als „Stigmatisierung“ auslegen, unnötigerweise zu den von dir beschriebenen Mechanismen bei. Da sollten wir uns auch an die eigene Nase fassen.
    Und in dem Zusammenhang ist mir noch ein Punkt wichtig. Zwar ist es wichtig, daß Menschen mit Behinderungen als Teil der Gesellschaft inkludiert werden, aber wir dürfen nicht den Fehler machen, im Streben um Inklusion diesen Teil unseres Seins zu verleugnen. Die Behinderung gehört nun mal zu uns. Sie prägt uns und unsere Persönlichkeit. Und sie macht uns zu Angehörigen einer Peer Group, etwa Rollstuhlfahrer. Und da sind wir wieder bei der obigen Frage: Warum sollen sich Angehörige einer Peer Group nicht untereinander grüßen dürfen? Und zwar ohne, daß man ihnen gleich Hintergedanken unterstellt?

  13. Ein guter Artikel, hilft beim Reflektieren der eigenen Haltung in Bezug auf andere.
    Wir Menschen grenzen uns so gern ab, gegen die Anderen, gegen das Anstrengende, gegen das Ungewohnte. Darunter fällt die Auseinandersetzung mit anderen Gesundheitszuständen sowie auch anderen Kulturen. Was auffällt: Jeder einzelne, der von der Masse als „anders“ wahrgenommen wird, findet seine eigene Haltung und Lösung dafür. Manche möchten, dass ihnen geholfen wird, manche wollen, dass man sich mit ihnen solidarisiert, andere lehnen das ab und möchten lieber allein schaffen, was vor ihnen liegt. Das zählt auch für die Masse derjenigen, die vermeintlich „normal“ sind.
    Meist reicht schon die Reise in eine ferne Kultur, um zu merken, wie variabel das „Normale“ ist. Solche Erfahrungen sind jedem dienlich und nützlich, wie ich finde. Um die Grenzen der eigenen Freiheit deutlich vor Augen zu haben, und um verantwortungsbewusst miteinander umzugehen. Mit jedem Menschen (und eigentlich auch anderen Lebewesen). Das ist aus meiner Sicht das, was zählt: Respekt voreinander und Verantwortungsbewusstsein für eine Gesellschaft. Aus irgendeinem unerfindlichen Grund haben wir den weissen, gesunden, heterosexuellen, erfolgreichen Mann zum höchsten Ideal unserer Gesellschaft erkoren – und arbeiten uns nun seit langer Zeit daran ab, die Defizite all derer zu kompensieren, die nicht in dieses Ideal passen. An einem wirklichen Abbau des Ideals versuchen wir uns noch gar nicht, wie mir scheint. Wäre allerdings mal an der Zeit. Ich würde es mir wünschen.

  14. Hmm, ich will mal genau so offen sein wie der Autor.
    Klar verhalte ich mich seltsam weil das Gegenüber seltsam aussieht. Nicht normal ist. ZUmindest nicht normal in dem Sinn wie ich und Millionen andere es (wie auch immer) gelernt haben.
    Nach deiesem Bericht würde wahrscheinlich folgendes passieren wenn ich Raul sehe.
    Einerseits: „Oh, Raul cool, der hat diesen interessanten Bericht geschrieben, bestimmt interessant und lustig sich mit dem zu unterhalten, aber uups, wenn ich nun zu nett bin, oder zu grob, ach, lieber aus dem Weg gehen.“
    Zumal, seien wir mal ehrlich, das Gespräch doch wahrscheinlich wieder bei dem thema Behinderung landen würde.
    Dazu kommt, dass ich auch wie vile andere so was wie ein schlechtes Gewissen habe, weil ich nicht behindert bin. Klar, weder ich noch der Behinderte kann meist was für die Behinderung, aber es ist uns irgendwie eingepflanzt zu versuchen so was wie Wiedergutmachung zu spendieren um unser Gewissen zu beruhigen.
    Hart für raul, der das noch recht gut zu verkraften scheint, dass er nicht nur eine Behinderung hat sondern auch noch ständig damit von außen drangsaliert wird.
    Sorry, aber selbst nach dem Lesen des Artikels kann ich ehrlich gesagt nicht unbefangen reagieren, selbst wenn ich dich treffen würde. Da ist manches einfach viel zu tief verwurzelt, das anders reagieren will.

  15. Hier gibts einen Kommentar, den ich komplett unterschreibe, und das ist der von Frank.
    Ich finde die Erwartungshaltung mancher Menschen MIT Behinderung, die sie an Menschen OHNE Behinderung stellen doch bedenklich.
    Wie Frank schon sagte…wie man´s macht, macht man´s verkehrt.
    Dafür, dass viele Jahre lang Behinderte versteckt und separiert wurden und der „Normalo“ deshalb wenig bis gar keine Berührungspunkte hatte, kann der Einzelne nichts…
    Natürlich ist es unverschämt, jemandem über den Kopf zu tätscheln usw…egal ob behindert oder nicht.
    Wir müssen ALLE toleranter im Umgang miteinander werden…auch der Behinderte…

  16. Dorit und andere: Ich lese nicht, dass Raul sagt, man sollte nicht aufmerksam sein gegenueber seinen (behinderten und nichtbehinderten) Mitmenschen, oder niemals helfen. Er schreibt von extremen Faellen, indem ihm beispielsweise ueber den Kopf gestreichelt wird, oder Geld zugesteckt wird. Und Raul fuehrt dass Missverstaendnis, wie er sagt, ja auch auf mediale Darstellungen zurueck — oder vielleicht besser gesagt, mediale Nicht-Darstellungen der Thematik. Es ist eben kein schwarz und weiss, kein entweder „niemals helfen“ oder „immer wie ein Kind behandeln“, und soviel Graustufen sollte sich eine Kultur schon geistig leisten koennen und erueben, wozu auch dieser sehr lesbare Artikel ein Beitrag ist.
    Raul, mich wuerde interessieren: Warum schickst du deinen Assistenten nicht schnellstmoeglich weg, sobald du im Gespraech bist? Dies ist keine rhetorische Frage, soll heissen, ich nehme mal an, es gibt triftige Gruende wofuer er sozusagen weiterhin zur Seite stehen soll.
    Weiterhin wuerde mich interessieren: was sind denn das fuer „pikante“ Sachen, die du in Gespraechen anmerkst?

  17. Dieser schöne Text vor Dir, raul, trieft vor allem vor drei Dingen: Selbstmitleid, Selbstgerechtigkeit und Egozentrik. Dann möchte ich in dieser Antwort genau das tun, was Du einforderst: Dich als ganz gewöhnlichen [sic!] Menschen behandeln. In diesem Blogeintrag bist nämlich vor allem Du selbst derjenige, der sich von anderen absondert, ja, im Grund sogar derjenige, der sich (oder zumindest die Gruppe der Betroffenen, zu denen er gehört) als moralisch überlegen heraushebt: als jemand, der genau weiß, was gut und richtig ist bzw. wäre.
    Du, raul, möchtest also ein ganz normales Leben führen können? Dann solltest Du vor allem zuerst eines tun: akzeptieren, dass das Leben ungerecht und scheiße ist. FÜR UNS ALLE. Du machst da nur wegen Deiner „Behinderung“ einen großen Unterschied. Wir alle sind homosexuell, psychiatrieerfahren, hafterprobt, schwer verschuldet, chronisch krank, depressiv, schüchtern, übermäßig gepierct und tätowiert, obdachlos, schlecht angezogen und was-weiß-ich-noch. Wir haben alle jeden Tag damit zu kämpfen, dass uns Menschen komisch und herablassend behandeln (vor allem! beim Einsteigen in den Bus oder auf einer Bank). Wir erleben, dass wir nicht auf Parties oder Urlaubsreisen eingeladen werden – weil vielleicht dem anderen die Nase meines Partners nicht passt oder mein Körpergeruch. Wir alle werden ab und zu ignoriert oder mitleidig angestarrt; von Verwandten und Speichelleckern bei Erfolgen unnötig übermäßig gelobt oder man erzählt uns, nur bloß nicht den Arbeitsplatz zu wechseln, weil wir eh nicht nochmal was Neues bekommen würden.
    Ja, das Leben ist ungerecht. Get over it! Der eine Teil der Menschen behandelt „Behinderte“ wie Aussätzige, die anderen sind „krampfhaft um Normalität“ bemüht. Verdammt noch mal, get over it! Das ist das verdammte Leben. Natürlich kannst Dich darum bemühen, es in Deinem Umfeld besser zu machen, so wie es jedem Menschen möglich ist, sein nahes Umfeld nach seinen Wünschen zu gestalten. Aber es gibt kein herausgehobenes, besseres Leben, was Normale führen, und welches sie Dir vorenthalten. Unser Leben fühlt sich in Hinsicht auf die von Dir berichteten Details jeden Tag (fast) genauso beschissen an, wie das Deinige.
    Also, raul, hör bitte auf, hier so unerträglich larmoyant den besseren Menschen, den „armen Behinderten“ von dem Du Dich doch so sehr zu distanzieren bemüht bist, herauszukehren. Wenn Du glaubst, dass Du aufgrund Deiner Lebenssituation ein schwereres Päcklein zu tragen hast als jeder beliebige andere Mensch, und darum die Sorgen, Nöte und – ja, auch – Verzweiflung der „Normalen“ herabzuwürdigen befugt bist, dann öffnet sich da eine große Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Deinem Denken.
    Genau das, was Du einforderst – Gleichbehandlung, Verstehen, Einfühlung und Normalität – genau dies konterkarierst Du mit diesem Text, und schlimmer noch: verweigerst sie denen, die nicht in Deiner ach-so-ärgerlichen Lage sind, all das ertragen zu müssen, was Du jeden Tag alles so ertragen musst.
    Auch wenn meine Antwort harsch klingen mag, so wünsche ich Dir doch, dass Du etwas daraus für Dich selbst herausziehen kannst. Und das Du ihn nicht etwa als Plädoyer gegen Gleichstellung und Integration aller Bürger verstehst, denn dann wäre sie völlig missverstanden.
    (Schade, dass Du diesen Text nicht freischalten wirst, denn Freiheit hört ja komischerweise gerade immer dann auf, wenn jemand kommt, der ein wenig anders ist oder denkt als man selbst).

  18. Nina, was ist an der Erwartung, daß man genauso behandelt werden möchte, wie andere auch, bedenklich? Wenn das in unserem Land für behinderte Menschen bedenklich ist, sollte ich schnellstens auswandern. Nein, das sollte selbstverständlich sein. Menschen in anderen Ländern sehen das übrigens so und kriegen das auch hin. Fehlverhalten damit zu entschuldigen, daß die Berührungspunkte gefehlt haben – was richtig ist, aber das war eben in anderen Ländern auch so – ist somit absurd.
    Frank kann ich absolut nicht zustimmen. Es ist doch nun wahrlich kein Problem, jeden gleich zu behandeln und trotzdem Rücksicht zu nehmen. Rücksichtslos ist man m. E. nur dann, wenn man es ignoriert, daß Menschen Hilfe brauchen könnten. Daß man Hilfe braucht, kommt bei Menschen mit Behinderung ab und an vor, aber auch bei Menschen ohne Behinderung. Es gibt keinen Menschen, der nicht irgendwann im Leben mal Hilfe braucht. Zuzuschauen, wie etwa eine Mutter mit Kinderwagen sich an einem hohen Einstieg in eine Bahn abmüht und zu merken, daß sie offensichtlich Hilfe braucht, ohne diese Hilfe anzubieten, ist rücksichtslos und ignorant. Natürlich ist es manchmal schwer, abzuschätzen, wann jemand Hilfe braucht. Aber zu fragen ist legitim. Und natürlich gibt es auch Menschen mit Behinderungen, die auf Hilfsangebote barsch und unfreundlich reagieren, weil sie darin eine Sonderbehandlung sehen. Dazu sage ich als Behinderter ganz klar, daß ich für so ein Verhalten nicht das geringste Verständnis habe. Auch ein Behinderter hat nicht das Recht, sich zu benehmen wie Sau. Aber das sind Einzelfälle. Wenn Frank nur solche Behinderte kennengelernt hätte, täte mir das leid, aber das glaube ich nicht.
    Wenn Frank sagt: „Gelegentlich beschleicht mich dabei das Gefühl, dass es am Ende des Tages auch darum geht, dass der Behinderte die Last, die sein Behindertsein ihm aufbürdet, zumindest ein Stück weit auf andere abwälzen will.“, dann beschleicht mich das Gefühl, als ob da jemand nicht verstehen kann, oder will, worum es geht. Dieser Satz ist schon eine bodenlose Frechheit. In Einzelfällen mag das zutreffen – genauso wie bei vielen Menschen ohne Behinderung, die sich nur bemitleiden lassen und ihre Probleme auf andere abwälzen. Aber diese Pauschalisierung ist wieder nur eins: diskriminierend.

  19. Lieber Raul,
    gefällt mir sehr gut, Dein Text.
    Er ist sehr reflektiert,kritisch und selbstkritisch. Deine Gedanken bewegen sich auf einem sehr hohen Niveau und ich wünsche Dir dass viele Menschen der Tiefe Deiner Worte folgen können.
    Liebe Grüße aus Frankfurt am Main Aida

  20. Hm… Ich kann nur für mich selber sprechen aber MEINE Ratlosigkeit beim Umgang mit Behinderten kommt in erster Linie von schlechten Erfahrungen.
    Ich habe meine Hilfe oft genug angeboten, wurde aber in den meisten Fällen extrem unfreundlich zurückgewiesen wo ein normales „nein danke“ auch gereicht hätte. Oder es wurde nur gemeckert, wo man mir auch ruhig hätte erklären können was ich anders machen soll.
    Es ist aber auch nicht leicht, zumal man jemanden den Grad seiner Behinderung nicht direkt ansehen kann und wie gut der Einzelne dann damit zurechtkommt kann man noch weniger auf den ersten Blick erkennen. Also muss man nicht bei jeder aufgehaltenen Türe gleich vermuten, dass man Ziel von Spott ist, es könnte durchaus sein, dass derjenige der die Tür aufhällt tatsächlich einfach nur helfen wollte weil er nicht wissen kann ob das Öffnen einer Tür nun ein Problem ist oder nicht.
    Aktionen wie das kommentarlos zugesteckte Geld allerdings … naja … aber hey bitte jetzt nicht alle „Normalos“ über einen Kamm scheren.

  21. Hallo Raul und Mitkommentatoren. Danke für einen schönen und intelligenten Artikel, der mich wirklich berührt und danke für die Qualität der Kommentare. Selten lese ich erstens) einen fürs Web recht langen Text durch und zweitens) auch noch ALLE Kommentare dazu.
    Ein jeder von uns mit einer Packung Sorgen und einer Packung Freude ausgerüstet und letztlich kommte es darauf an was man daraus macht. Ich bin überzeugt davon, dass per se kein Mensch besser oder schlechter dran ist. Es gibt Menschen, die eigentlich keine existentiellen Sorgen haben dürften, sie aber dennoch haben. Es ist ein Kopfding. Und dies betrifft Menschen mit Behinderung (@Ike, das ist die PC Bezeichnung) wie auch Menschen ohne ersichtliches Handicap.
    Was wirklich nervt ist die in Deutschland stark ausgeprägte strukturelle Ausgrenzung durch Barrieren (Treppenstufen!!), zu enge Klos oder Klos im Keller und die erzwungene Exklusivbehandlung durch Workflows die 90% aller Wahrscheinlichkeiten abdecken. Die übrigen 10% aber nicht und häufig gehöre ich als Rollstuhlnutzer zum Rest 🙂
    Den Großteil der Begegnungen und Reaktion mit Menschen erfahre ich hingegen nicht als stigmatisierend oder gar abwertend. Im Gegenteil, fast immer empfinde ich sie bereichernd (im übrigen auch spontane Hilfsangebote, selbst wenn ich diese in der Regel dankend ablehne). Möglicherweise weil ich grundzufrieden bin oder weil das Leben für mich nach fast fünfzehn Jahren mit Rollstuhl so normal geworden ist wie Fußgänger zur Fortbewegung ihre Beine nutzen.

  22. es gibt immer auf beiden seiten unmögliche menschen. ich persönlich möchte gar kein mitgefühl oder gar mitleid, sondern respekt! und wir haben schon einige klöpse durch, von beleidigungen beim behindertenparkplatz über dämliche sätze , wie ‚der junge ist zu faul zum laufen‘. andererseits gibt es auch viele menschen , die sehr hilfsbereit und nett sind 🙂

  23. Warum so ein Aufwand in so einem Text? Im Endeffekt hat eh jeder Mensch irgendwo einen Dachschaden. Bei den meisten sieht man es nur nicht. Und ja ich kenne das „Problem“, habe 9 Monate lange Fahrdienst als Zivi gehabt. Die Damen und Herren die ich chauffiert habe, waren im Umgang genauso normal wie jeder andere Mensch mit denen ich tagtäglich Kontakt habe, im Endeffekt war das Drumherum nebensächlich. Fand es auch eher albern zuzuschauen wie man alle in ein Haus pfercht oder zu sinnlosen Arbeiten hinreißt wie Vogelhäuschen bauen oder ähnliches. In diesem Metier wird, meines Erachtens, noch mehr auf nichtmal vorhanden Makel hinwiesen und weniger auf dass was die Leute wollen eingegangen und sie einfach auch mal machen lässt.
    Nun ja, Shit happens, Kastensysteme wird es immer geben, ob in ihrem Fall auf gewisser Weise oder bei jedem anderen (Beispiel Arbeitslos), wie auch bei mir, auf eine andere Art.
    Keine Sorge, Toleranz wird es auch nicht in tausend Jahren geben, allein weil man sich ja berufen fühl Toleranz zu üben und das Gegenteil erzeugt.

  24. Hallo,
    ein sehr lesenswerter Artikel.
    Was ich aber nicht verstehe:
    Was ist denn an dem Satz
    „Ich finde es toll, wie Du mit Deiner Behinderung umgehst“
    so schlimm?
    Ich finde das steht auf einer Stufe wie andere Herausforderungen, die jemand meistern muss und für deren Bewältigung man jemandem Respekt zollt. Also z.B. wie:
    Toll, wie Du das mit dem Examensstress geschafft hast.
    das mit den Kindern und dem Studium…
    das mit Deinerm Chef auf die Reihe gekriegt hast… etc. pp.
    Oder nicht?
    Ich finde der Satz ist Ausdruck eines normalen Umgangs, weil die offensichtliche Tatsache nicht tabuisiert aber auch nicht überbewertet wird oder ins Mitleid abdriftet. Würde mich über einen Kommentar freuen!

  25. Sehr interessanter Eintrag. Ich fand ihn faszinierend. Die Kernaussage hat mich sehr zum Nachdenken gebracht. Es geht um den WERT eines Menschen. Was ist der Wert eines Menschen? Da gibt es ein anscheinend ein massenpsychologisches Phänomen, vermute ich mal. Sehr gut fand ich, das der Nationalsozialismus angesprochen wurde, in dem es die Definition von „unwertem Leben“ gab. Das wir aus der Geschichte gelernt haben, das ist klar. Aber dieses Phänomen wirkt doch damals wie heute in jedem Menschen. Wir alle machen uns insgeheim Gedanken zu dem Wert jedes Menschen, den wir kennenlernen, ob bewusst oder unterbewusst. Wir fragen uns ständig, wie wir uns verbessern können und im Wettbewerb um den sozialen Rang mithalten können. Klar kommen da einem bei der Konfronation mit Behinderten die Gedanken, wie soll den so jemand mithalten können? Wenn der noch nicht mal eine Treppe hochsteigen kann? Das ist das Kernproblem. Wir bewerten einander ständig gegenseitig und Behinderte schneiden dabei denkbar schlecht ab. Das ist doch in allen Lebenssituationen zu spüren, ob es nun um Job, Partnerwahl oder Freundschaften geht. Das wir immer mehr in einer Leistungs-/Spaß-/Modegesellschaft leben, die einfach gewisse Eignungen für ein „erfolgreiches“ Leben voraus setzt, führt evtl. dazu, dass wir dieses System als Maßstab für den Wert eines Menschen anlegen.
    Mein bester Freund ist schwerbehindert. Da ich ihn bereits vor seinem Unfall kannte, ist es für mich völlig normal, ich gehe mit ihm um wie mit jedem anderen. Sein „Wert“ spielt gar keine Rolle, der Gedanke darüber erübrigt sich. Die Schwierigkeiten des Alltags sind nur Nebensächlichkeiten. Vielleicht sollten wir alle einander (und vor allem uns selbst!) nicht ständig bewerten. Vielleicht sollten wir einfach nur bspw. denken, dieser Mensch da könnte mein bester Freund sein. Warum auch nicht. Dann entfällt jegliche Wertung über diese Person, egal wie anders sie ist. Wertung von Menschen ist in den meisten Fällen unsinnig, störend oder einfach nicht notwendig.

  26. @Dorit, Sebastian
    Mir ist klar, dass die oben beschriebenen Phänomene nicht nur auf Menschen mit Behinderungen zutreffen sondern eben auf viele, wenn nicht gar alle, Randgruppen einer Gesellschaft. Der Beweggrund zum Schreiben dieses Posts war einfach, dass ich einmal meine Sicht der Dinge schildern wollte.
    @Frank, Thomas, Tobias, Mithrandir, Nina, Thomas, DerKeks
    Dass es da keine Patentlösung für gibt, wie „man“ nun adäquat auf eine „Randgruppe“ reagiert, ohne intolerant oder, auf der anderen Seite, mitleidig (im negativen Sinne) zu reagieren habe ich hierbei versucht hervorzuheben. Vielleicht hätte ich das im Abschluss noch erwähnen können.
    @Ike, Frank, Alex
    Um ehrlich zu sein, habe ich selber diese Berührungängste „andersartigem“ gegenüber. Auch gegenüber Menschen mit Behinderungen. Das nervt mich und ich habe daher, genauso wie @Frank auch ein Dilemma.
    Wahrscheinlich gibt es dafür auch keine eindeutige Antwort, wie auf so viele Dinge im Leben. Die Diskussion hier zeigt uns ja, dass es nicht einfach ist.
    Versteht mich auch bitte nicht falsch. Ich bin kein „Jammerlappen“ und sehe auch nicht hinter jeder Reaktion auf mich eine direkte positive oder negative Diskriminierung. Der Artikel spiegelt lediglich die Extreme meiner 31jährigen Laufbahn (oder sollte ich Fahrbahn sagen?) meines Leben als Rollstuhlfahrers wieder. Wer mich kennt, weiss wie ich das meine.
    Ich denke, dass @Tobias recht hat. Es geht im großen und Ganzen um „Empathie“. Das gilt für beide Seiten. Ich als Randgruppenmitglied kann nicht erwarten, dass Alle alles richtig machen von Anfang an. Aber ich kann erwarten, dass mein Gegenüber bereit ist, hinter meine Behinderung zu schauen und den Menschen zu erkennen. Als Freund, als Partner, als Arsch oder eben als uninteressant.
    @Philipp
    Manchmal kann ich meine Assistenten nicht einfach „wegschicken“. Da wo es geht, versuche ich es. Welche Pikanten Sachen ich im Gespräch anmerke? Hm. Das hängt von der Situation ab. Aber soviel kann ich sagen: Mein Mundwerk sitzt recht locker 😉
    @Thomas
    Wie du siehst, habe ich deinen Kommentar nicht gelöscht, weil er genauso zur Debatte dazugehört, wie die anderen auch. Danke dafür. Du hast Recht, es ist ein schmaler Grat zwischen „Selbstmitleid“ und „Egozentrik“. Beides war jedoch wirklich nicht mein Ziel.

  27. Vielen Dank für das teilen deiner Perspektive und Erfahrungen, für einige Einschätzung und Sichtweisen hätte ich jetzt den Behinderten meines Vertrauens fragen müssen. Bei dem Allgemeinen sinnieren über die Definition von Behinderung und dem gesellschaftlichen Umgang fielen mir zu Erst die überlaufenden und immer mehr werdenden psychotherapeutischen Praxen ein – die Leute die mit dir den Bus teilen, den du aufgehalten hast, sieht man die Einschränkung nun eben nicht an. Zudem werden wir mehr alte Menschen haben die ebenso immobil werden aber gesellschaftlich akzeptierter sind oder sich eben nicht mit abweichendem sozialem Verhalten konfrontiert sehen. Die Ursachen der Dinge die dir missfallen ist auch in meinen Augen das nicht vorhanden sein von körperlich beeinträchtigten Menschen im Schul- und Arbeitsalltag. Was hat es mit Integration zu tun wenn es extra Kindergärten, Schulen, Einrichtungen für Behinderte gibt? Das ist eine Isolation keine Integration. Diese Aussage würde ich auch auf Veranstaltungen ausweiten wie die Paralympics, sollte jemand ohne Beine ebenso oder schneller Schwimmen kann und muss er natürlich an Olympia teilnehmen. Politisch bedeutet ein gerechtes gut funktionierendes Schulsystem bzw. Bildungssystem ebenso gut funktionierende Integration, die von Immigranten und Behinderten. Ich halte mich eigentlich für tolerant doch auch für mich gehört der Anblick eines körperlich Deformierten, sagen wir durch Contergan, nicht zum Alltag und ich schaue länger hin als sonst und wie du schon richtig bemerkst es ist auch die Tatsache des allzu fragilen körperlichen dessen man sich bewusst wird.
    Eine sinngemäße Aussage zum Abschluss, die mir bei meiner kurzen Tätigkeit im Altenheim auch von einer Frau die in kurzer Zeit beide Beine verloren hat entgegengebracht wurde: Ich trauere nicht um die Beine sondern bin froh, dass der Kopf noch funktioniert.
    Ebenso interessant auch bei der Fragestellung um Abtreibung und aktive Sterbehilfe ist die kognitive Differenzerkennung und die Möglichkeit zum Glücksempfinden von der Genmutation Trisomie 21 Betroffener … was thematisch aber jetzt doch zu weit abdriftet.
    Ebenso wie die Aussage: Hätten wir die maximale gesellschaftliche Akzeptanz jedweder Behinderung erreicht, stellten die durch menschliche Klonversuche fehlgeschlagenen Geburten kein moralisches Problem mehr da. Was jedoch Kant irgendwo in seinen vielen Schriften schon heraus stellte ist das es nie akzeptabel ist Unbeteiligte mit hinein zu ziehen: Die klassischen Studien sind die der fünf Kranken die durch die Organe und den Tod eines einzelnen Gesunden gerettet werden können.
    Es ist schön das du diesen Blog führst und einen Teil deines Alltags teilst.

  28. zunächst mal danke für den text. ich habe nicht den eindruck von jammerlappigkeit. aber …

    Mir ist klar, dass die oben beschriebenen Phänomene nicht nur auf Menschen mit Behinderungen zutreffen sondern eben auf viele, wenn nicht gar alle, Randgruppen einer Gesellschaft.

    ähnliche probleme wie du, hat jeder. denn die kleinste minderheit ist man selbst. es gibt immer menschen, zu denen man nicht gehört, für die man anders ist, fremd ist, die nicht wissen, wie sie mit anderen umgehen sollen. das ist quasi ganz normal.
    ohne deine schilderungen relativieren zu wollen – nichts liegt mir ferner, möchte hier einige punkte aufzeigen, wie vermeitlich ganz normale menschen »diskriminiert« werden. so werden z.b. kinderlose frauen von müttern mit mitleidigen kommentaren bedacht. gabs eine todesfall in der familie, gibts kommentare wie „toll, wie du damit umgehst“. frauen werden von männern nicht als gleichwertig wahrgenommen und von oben herab behandelt. in gegenwart von singles werden bestimmte themen ausgespart. singles sind von vielen gesellschaftlchen aktivitäten implizit ausgeschlossen usw.
    alle beteiligten sind ganz normale leute.

  29. Ein toller Text und eine wunderbare Diskussion in den Kommentaren. Danke dafür ! Es ist interessant zu sehen, dass es auf der Metaebene schließlich um die Natur des Andersseins geht und wie die Individuen in der Gesellschaft damit umgehen. Denn wie richtig bemerkt wurde ist doch eigentlich jeder in irgendeinem Punkt anders als Andere und das ist ja auch eigentlich genau dass, was uns definiert.
    Daher ist auch kein Wunder, das man sich ständig mit anderen vergleicht und dabei auch auf eine gewisse Art und Weise wertet. Nur dadurch, das wir andere mit dem was wir kennen in relation setzen, erkennen wir ja erst die Unterschiede, die alles und jeden (uns selbst eingeschlossen) ausmachen.
    Das Leben in einer Gesellschaft ist immer ein Kompromiss und eine 100%-ige Toleranz&Integration aller wird es nie geben und ist auch nicht sinnvoll. Aber wir sollten uns schon Fragen, warum in der heutigen Zeit immernoch materielle Eigenschaften wie Aussehen, Geschlecht, Einkommen oder Herkunft einen so hohen Stellenwert bei vielen Menschen haben. Die Menschheit könnte so viel erreichen wenn sie viele dieser Grenzen überschreiten würde. Es gibt eben wie jemand schrieb nicht nur schwarz und weiß, sonder auch das ganze Spektrum dazwischen – und hier wäre es Aufgabe der Bildung u. der Gesellschaft, dass das nicht als etwas negatives, sondern als immenses Potenzial angesehen wird.
    Ich habe in meinem Leben einige (sowohl körperliche und geistig) Behinderte besser kennen lernen dürfen, und war immer eine Bereicherung für mich, genauso, wie Begegnungen mit anderen Menschen aus allen möglichen Kulturen und Bevölkerungsschichten auch – warum sollte das auch anders sein?

  30. @Thomas 2

    Dieser schöne Text vor Dir, raul, trieft vor allem vor drei Dingen: Selbstmitleid, Selbstgerechtigkeit und Egozentrik.

    Nur weil du das hineininterpretierst, heißt das noch lange nicht dass das wirklich so ist. Hier werden einfach nur aus einem persönlichen Blickwinkel diverse Probleme geschildert, die es zweifellos gibt. Was sollte das mit Selbstmitleid zu tun haben? Deinen Vorwurf könnte man bei jedem gesellschaftliche Problem X eines Betroffenen Y bringen. Das aber wäre unsinnig.

    Dann solltest Du vor allem zuerst eines tun: akzeptieren, dass das Leben ungerecht und scheiße ist. FÜR UNS ALLE. Du machst da nur wegen Deiner “Behinderung” einen großen Unterschied. Wir alle sind homosexuell, psychiatrieerfahren, hafterprobt, schwer verschuldet, chronisch krank, depressiv, schüchtern, übermäßig gepierct und tätowiert, obdachlos, schlecht angezogen und was-weiß-ich-noch.

    Das alle Menschen Probleme haben, heißt noch lange nicht, dass alle Menschen in ihrem alltäglichem Leben diskriminiert werden. Und selbst wenn das doch der Fall ist, ist es doch ein himmelweiter Unterschied zwischen einer sehr auffälligen Behinderung und einem gewöhnlichen Übergewichtigen, einer Mutter, einer stark Tätowierten usw. Deine Unterstellung, wie alle würden ja irgendwie diskriminiert, hallte ich für völligen Unsinn. Es gibt erhebliche graduelle Unterschiede. Einen Übergewichtigen „schief anzuschauen“ ist etwas ganz anderes als das, was ein Mensch mit einer Behinderung wie Raul oder z.B. ein sehr stark adipöser Mensch erleben. Du übergehst diesen Unterschied völlig. Wenn man das nicht tut, wird klar, dass die allermeisten Menschen eben nicht derartig schwerwiegende Probleme mit der Wirkung auf ihr soziales Umfeld haben.
    Das soll die Probleme, die jeder Mensch mit der Reaktion seiner Mitmenschen hat, nicht herunterspielen. Doch sie sind etwas ganz anderes als viel schwerwiegendere Einschränkungen, die eine Minderheit unserer Gesellschaft hat — natürlich nicht nur Behinderte.

    Ja, das Leben ist ungerecht. Get over it! Der eine Teil der Menschen behandelt “Behinderte” wie Aussätzige, die anderen sind “krampfhaft um Normalität” bemüht. Verdammt noch mal, get over it! Das ist das verdammte Leben.

    Ja, mit „get over it“ machst die Sache sehr leicht. Es wird festgestellt, dass wir alle Probleme haben, und dann gefolgert, dass die Probleme von Behinderten keine besonderen seien. Daraus folgt dann bequemerweise, dass, da hier kein spezielles Problem der Gesellschaft existiert, ja auch keine Anstrengungen unternommen werden müssen um es zu beseitigen.
    Zum einem ist es natürlich unsinnig, alle Probleme als gleich schwerwiegend zu betrachten. Zum anderen ist es Quatsch, die Probleme einer Gesellschaftsgruppe mit den von anderen „aufzurechnen“. Das aber tust du, wenn du erst sagst, dass andere Gruppen (und überhaupt alle Menschen) ebenfalls Probleme haben, und dann zu dem drolligen Schluss kommst: „Get over it!“.
    Das ist so, also würde man einer Homosexuellen, die über die gesellschaftlichen Probleme und ihre Ursachen redet, raten:
    „Was beschwerst du dich, andere haben auch Probleme, denk nur an die Behinderten! Get over it!“
    Das muss ich wohl nicht weiter kommentieren, oder?

    Deiner Lebenssituation ein schwereres Päcklein zu tragen hast als jeder beliebige andere Mensch, und darum die Sorgen, Nöte und – ja, auch – Verzweiflung der “Normalen” herabzuwürdigen befugt bist, dann öffnet sich da eine große Schere zwischen Anspruch und Wirklichkeit in Deinem Denken.

    Ich behaupte: Eine Minderheit der Gesellschaft (zu der auch schwer körperlich Behinderte gehören) hat es im Durchschnitt tatsächlich schwerer als die anderen, die du als die „Normalen“ bezeichnest. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die Probleme der Normalen hat diese Minderheit auch. Auch. Nicht: „Stattdessen“. Es kommt also durchaus mehr zusammen, selbst wenn das sicher nicht in jedem Fall gilt. Diese Erkenntnis ist so banal, dass ich mich frage, wie du sie übersehen konntest.
    Und auf die Gefahr mich zu wiederholen: Wenn man die Probleme einer Randgruppe beschreibt, dann heißt das selbstverständlich nicht, dass man damit andere Probleme „herabwürdigt“, wie du unterstellst.

    Und das Du ihn nicht etwa als Plädoyer gegen Gleichstellung und Integration aller Bürger verstehst, denn dann wäre sie völlig missverstanden.

    Ach? Wie soll man deinen dreist-debilen Rat „Das Leben ist ungerecht, get over it!“ denn sonst verstehen?

  31. Einen Übergewichtigen “schief anzuschauen”

    was mich schon sehr wundert, dass im „diskriminierungsdiskurs“ vermehrt die pharase „schief anschauen“ auftaucht und als platzhalter für diskriminierung herhalten muss.
    notice: es werden auch leute mit komischen hosen, dicken nasen und lustigen mützen schief angeschaut. sicher hat jeder seinerseits auch schon jemanden schief angeschaut.
    und ja: get over it!

    Eine Minderheit der Gesellschaft (…) hat es im Durchschnitt tatsächlich schwerer als die anderen, die du als die “Normalen” bezeichnest. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Die Probleme der Normalen hat diese Minderheit auch. Auch. Nicht: “Stattdessen”.

    die ursache hier in der minderheit zu suchen, ist der falsche anstatz, denn er macht die mehrheit zu schuldigen, allein auf grund ihrer anzahl. nun ist die anzahl aber je nach kontext relativ. in einer bar für homosexuelle sind homosexuelle die merhheit. im altenheim sind alte die mehrheit usw.
    ich würde vermuten, schwerbehinderte haben in der tat viele probleme nichtbehinderter nicht, da sich viele fragen und themen einfach gar nicht stellen. hier zu verallgemeinern, was für probleme wohl die „normalen“ haben, ist unsinn, denn sie haben alle möglichen probleme. dass sie „normal“ sind, relativiert das nicht. sie haben TROTZ ihrer normalität – was immer das sein mag – probleme im leben. und sie werden auch hin & wieder schief angeschaut.

  32. Interessant, dass Raul besser mit der Kritik/den Kommentaren umgehen kann als mancher -sorry aber mir fällt kein besseres Wort ein- Normalo

  33. @R. Kläbär:

    was mich schon sehr wundert, dass im “diskriminierungsdiskurs” vermehrt die pharase “schief anschauen” auftaucht und als platzhalter für diskriminierung herhalten muss.
    notice: es werden auch leute mit komischen hosen, dicken nasen und lustigen mützen schief angeschaut. sicher hat jeder seinerseits auch schon jemanden schief angeschaut.
    und ja: get over it!

    Bist du sicher dass du den Text hier richtig verstanden hast? Ich wollte mit dem Beispiel des Übergewichtigen ja sagen, das es einen sehr großen Unterschied zwischen „schief anschaun“ (das passiert fast jedem mal, wie du ganz richtig bemerkst) und viel schwerwiegenderer Diskriminierung gibt.

    die ursache hier in der minderheit zu suchen, ist der falsche anstatz, denn er macht die mehrheit zu schuldigen, allein auf grund ihrer anzahl.

    Zunächst geht es überhaupt nicht um die Anzahl, sondern um die konkreten Probleme selbst. Die Ursachen dafür sind mit Sicherheit sehr vielfältig. Zum Beispiel findet man sie auch im Fernsehen, wo Behinderte (und andere Randgruppen) sehr stark unterrepräsentiert sind. Das sollte natürlich niemanden davon freisprechen, sich an der eigenen Nase zu fassen. Bei der Vielzahl von Ursachen von „Schuld“ zu sprechen ist wenig sinnvoll, denn Schuldzuweisungen versperren nur den Blick auf diese Ursachen.

    nun ist die anzahl aber je nach kontext relativ. in einer bar für homosexuelle sind homosexuelle die merhheit. im altenheim sind alte die mehrheit usw.

    In Ausnahmesituationen können Homosexuelle durchaus in der Mehrheit sein. Doch Ausnahmesituationen sind nicht die Regel, wie der Name schon sagt.
    @Mithrandir:

    Interessant, dass Raul besser mit der Kritik/den Kommentaren umgehen kann als mancher -sorry aber mir fällt kein besseres Wort ein- Normalo

    Interessant, dass du argumentative Kritik an der Kritik als „schlecht umgehen“ bezeichnest. Noch interessanter, dass dir selbst offenbar keine Argumente mehr dazu eingefallen sind.

  34. Ich frage mich gerade ob die Unfähigkeit mit behinderten Menschen umzugehen nicht auch eine Art sozialer Behinderung darstellt. Eine gesamtgesellschaftlich erworbene Behinderung, hervorgerufen durch das frühzeitige „aus den Augen schaffen“.

  35. Hallo Raul.
    ich toller Artikel von Dir, mit sehr interessanten Aspekten, die Du beleuchtest. Kompliment dafür, ich denke Du sprichst vieles die in einer ähnlichen Situation sind, aus der Seele.
    Gruß
    Stefan

  36. Hallo Raul,
    als jemand, der sieben Jahre mit behinderten Menschen gelebt und gearbeitet hat, kann ich deine Argumente gut nachvollziehen.
    Nur solltest du dir auch an die eigene Nase fassen. Jemand, der sein Behindertsein durch Blog, Verein, Medienauftritte und Internetprojekte ständig thematisiert, sollte sich nicht wundern, verstärkt als Behinderter wahrgenommen zu werden.

  37. Hallo Raul,
    deine Gedanken zum Thema Behinderung und Umgang der Öffentlichkeit mit der Behinderung sind für mich immer wieder ein sehr wichtiges Thema. Ich bin selbst in vierlerlei Hinsicht behindert, manchmal bleibt die Behinderung unsichtbar, manchmal bricht sie aber auch unangekündigt plötzlich über mich hinein. Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, dass die Öffentlichkeit ganz anders mit mir umgeht, wenn sie die Behinderung nun gesehen haben. Um der Ausgrenzung, der Angst, der Scham der Öffentlichkeit entgegen zu wirken, habe ich selbst mit Freunden eine Selbsthilfegruppe zu der Erkrankung gebildet. So sollen Stigmatisierungen verhindert werden. Zumindest können wir so lernen, uns nicht stigmatisieren zu lassen. Was insbesondere für Kinder sehr wichtig ist. Denn leider befinden wir uns noch nicht in einer Welt, die ein Konzept der Inklusion realisiert. In dieser besagten werden behinderte Menschen tatsächlich nicht durch ihre (z.B. körperlichen) Unterschiede erkannt, sondern als selbstverständliches Individuum in der Gesellschaft betrachtet. Jeder Mensch ist tatsächlich so individualisiert, dass es keine Norm mehr gibt und keine Schubladen, um die Übersicht über die „Menschengruppen“ zu behalten. So ein Konzept bildet sich aber nicht einfach so von allein, durch eine „automatische“ Entwicklung in der Gesellschaft, die beispielsweise durch die Zunahme der älteren Menschen gerechtfertigt werden könnte. Um hier wirklich vorran zu kommen, muss es Denkanstöße geben. Blogs wie dieser hier, sind ein super Anfang! Wahrscheinlich muss erst eine Form der Emanzipation stattgefunden haben, bevor die Inklusion beginnen kann.

  38. Ich find den Artikel gut, weil es sich mit meinen Ansichten dazu deckt. Ähnlich unnötig empfinde ich Reaktionen auf meinen Beruf. Ich werde Heilerziehungspflegerin, was auch immer das heißen mag. Aber wenn ich nach meinem Beruf gefragt werde und antworte, kommen Aussagen wie „ich bewunder dich, wie du so mit den Behinderten umgehen kannst“ oder „schön, dass das manche können, aber ich könnte das nicht“. Was soll das, warum wird sowas so hervorgehoben? Ich find die Arbeit von Designern auch schön, na und. Ich beton doch auch nicht, dass ich selbst dafür nicht die fachlichen Kompetenzen oder Ich-Kompetenzen hätte. Ähnlich reagieren Menschen in der Öffentlichkeit, wenn ich einen Bekannten aus einer Werkstatt für beeinträchtigte Menschente, der eine geistige Behinderung hat, auf der Straße treffe und mich mit ihm unterhalte. Dann werden mitleidige Blicke zugeworfen oder komisch geguckt, aber warum? Ich unterhalte mich doch mit der Person weil ich möchte und wir uns was zu erzählen haben.

  39. Sehr schöner Artikel zu einem nicht einfachen Thema.
    Gibt es die Möglichkeit, mit Komentatoren in Kontakt zu treten?
    Ich würde mich (im Rahmen meiner Bachelorarbeit) gerne näher mit SANDRA (bzw ihrem Sohn) unterhalten, wenn sie denn einverstanden wäre.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert

Einmal die Woche gibt es von mir handgepflückte Links aus aller Welt zu den Themen Inklusion und Innovation in meinem Newsletter. Kein Spam. Versprochen.

Die vergangenen Ausgaben gibt es hier.




If you’re interested in our english newsletter
„Disability News Digest“, please subscribe here!