Es ist die Qual der Wahl: Gefühlte 20 Kinofilme stehen zur Auswahl, acht Filme fallen raus, weil man von denen noch nie etwas gehört hat, fünf, auf die man sich einfach nicht einigen kann, einer ist mit Miley Cyrus, und trotzdem bleiben noch sieben Filme übrig … Ein Rollstuhlfahrer hat es an der Stelle meistens einfacher: „In welchem Kinosaal gibt es Rollstuhlplätze?“ „Saal 1 und 2, aber in Saal 1 kann nur einer rein!“ Und schnell ist der Film gefunden. Diese Auswahlerleichterung fällt unter das ominöse Wort „Brandschutz“.
Dieser Brandschutz hat mir persönlich schon so manche Kinoabende mit Begleitung verdorben und sogar mal dazu geführt, dass eine Veranstaltung für Menschen mit Behinderung im Bundestag wegen zu vielen Rollstuhlfahrern abgesagt wurde. Dabei drängen sich bei mir zwei Fragen auf:
Erstens: Steht der Brandschutz über der UN-Konvention für Menschen mit Behinderung, einem Menschenrecht? Und die zweite Frage: Wer soll hier eigentlich wovor geschützt werden? Haben Betreiber oder die Feuerwehr Angst, dass Rollstuhlfahrer nicht schnell genug das Gebäude verlassen können oder dass Rollifahrer den Notausgang blockieren?
Die Fragen stelle ich mir vor allem, weil sie mir bisher niemand so richtig beantworten konnte. Bei manchen Diskussionen kommt es mir so vor, dass sich hinter Argumenten versteckt wird, weil sich über die Hintergründe keine Gedanken gemacht wurden, sondern die Argumentation die Zeiten überdauert, wie der Trugschluss, dass eine Erdnuss eine Nuss ist. Seit mir letztens eine Freundin erzählt hat, dass die gleichen Brandschutzargumente schon in den Siebzigerjahren gebracht wurden – und auch da schon Besserung versprochen wurde –, glaube ich, dass die langsam mahlenden Mühlen in diesem Fall defekt sind.
Beim Brandschutz entsteht die kuriose Situation, dass eine fremdbestimmte Übervorsorge das selbstbestimmte Leben einschränkt. Vielleicht könnten auch ganz einfache Tests einmal das Gegenteil beweisen: Wenn es um den Brandschutz im Kino geht, dann könnte man doch den Test machen, wer bei einem Feueralarm am schnellsten aus dem Kino wäre.
In den USA werden manchmal extra Brandschutzräume gebaut, in die man bei einem Brandfall als Rollifahrer fahren soll und dann 30 Minuten in Sicherheit ist. Dies ist vielleicht keine Ideallösung, aber zumindest schon mal ein Lösungsangebot.
Natürlich erwarte ich keine Änderung von heute auf morgen. Was ich erwarte ist, dass die Diskussion an der Kinokasse, am Eingang des Fernsehturms und weiteren Orten weiter geht, als mit dem Wort "Brandschutz" beendet zu werden. Warum können sonst ganze Rollstuhlbasketballmannschaften im Flugzeug fliegen, aber nicht gemeinsam ins Kino gehen?
Ich bin an dem einen Abend dann doch nicht mehr in den Film gegangen. Es war der Streifen mit Miley Cyrus.
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.
Eine Antwort zu “Außer Rand und Brandschutz”
[…] Straße ragt. Die Bemühungen vor Ort scheitern manchmal einfach an Verordnungen. Genau wie beim Brandschutz stellt sich in diesem Fall von Zugänglichkeit versus Fußgängerweg wieder die Frage, was […]