Mein Freund und ich wurden vor ein paar Monaten zu einer Hochzeit eingeladen. Einerseits liebe ich Hochzeiten. Die Liebe zweier Menschen ausgiebig zu feiern, ist für mich Romantik pur! Andererseits sind Hochzeiten für mich mit Stress verbunden. Meistens finden Hochzeiten eher an Orten statt, die nicht unbedingt die beste Infrastruktur haben. Ich habe leider kein Auto, daher stellt die Hin- und Rückfahrt schon ein Problem dar. Aber gut, so geht es eventuell anderen auch und in solchen Fällen muss man eine Lösung finden. Mein viel größeres Problem besteht darin, dass viele Hochzeiten schon früh am Tag mit der Trauung beginnen und erst spät abends enden. Genießen kann ich solch einen Tag selten, weil ich außerhalb meiner Wohnung nicht auf Toilette gehen kann. Ich brauche viel Platz beim Toilettengang, am besten auch noch einen Lifter, mit dem ich aus dem Rollstuhl auf die Toilette gefahren werden kann. Ich schraube die Ansprüche an meine Bedürfnisse herunter und bin äußerst glücklich darüber, wenn es eine rollstuhlgerechte Toilette gibt. Das ist allerdings selten der Fall. Darum bedeuten solche Tage oftmals den Verzicht auf Toilettengänge, was absolut nicht gesundheitsfördernd ist.
Ich erzählte einer Person letztens, dass ich vor ein paar Jahren auf der absoluten Traumhochzeit war. Selbstverständlich war das Brautpaar zuckersüß und der Verlauf des gesamten Tages war einfach schön, aber abgesehen davon habe ich mich zum ersten Mal in meinem Leben absolut wohl auf so einer Festlichkeit gefühlt. Als damals mein Exfreund und ich zu unserem Tisch geführt wurden, sah ich direkt, dass sowohl für mich und ihn, aber auch für unsere Assistenten gedeckt wurde (ich habe durchaus mit Brautpaaren zu tun gehabt, die sich geweigert haben die Verköstigung auch für meine Assistentin zu bezahlen). Aber es kam noch viel besser: das Brautpaar der eben genannten Traumhochzeit kam zu mir und erzählte mir, dass ich allein für mich eine rollstuhlgerechte Toilette habe. Ich konnte es kaum glauben und hab damit absolut nicht gerechnet! Die Person, der ich von dieser Hochzeit erzählte, sagte dazu: „Wow, das war wirklich nett von dem Brautpaar auf eine barrierefreie Toilette zu achten“. Diese Worte haben mich eine Zeit lang beschäftigt und mich zeitgleich wütend gemacht. Solch eine Reaktion hinterlässt bei mir den Eindruck, als wäre ich ein berühmter Rockstar, der davon erzählt, wie er seine Extrawünsche durchgesetzt bekommt.
Es hat nichts mit Nettigkeit zu tun! Ich bin ein Mensch, wie jeder andere auch, der die Möglichkeit haben möchte zu essen und zur Toilette zu gehen. Zum Essen benötige ich Assistenz, weil ich kein Besteck in meiner Hand halten kann, dementsprechend muss man mir das Essen anreichen. Ich möchte mich zwischendurch frisch machen können, mich abpudern oder nachschminken. Ich lasse das ungerne von meinem Partner machen. Mit Assistenz fühle ich mich nicht von meinem Partner oder Freunden abhängig, sondern kann mich einfach frei fühlen. Genauso habe ich gerne die Möglichkeit zu jeder Zeit zur Toilette zu gehen.
Sind das etwa Extrawünsche? Es sind meine Grundbedürfnisse und ich habe keine Lust mehr mir anzuhören, wie toll es ist, wenn auf barrierefreie Toiletten beispielsweise geachtet wird. Denn im Umkehrschluss bedeutet das, dass ich auf meine Grundbedürfnisse verzichte.
Auf die Bedürfnisse, insbesondere auf die Grundbedürfnisse anderer zu achten steht für respektvollen und würdevollen Umgang miteinander, aber auf keinen Fall für einfache Nettigkeit!
Es ist enorm wichtig seine Bedürfnisse zu kommunizieren und sich nicht dafür zu schämen eventuell anderen dadurch Unannehmlichkeiten zu bereiten.
Eine Antwort zu “Meine Grundbedürfnisse sind kein Luxus!”
Das ist ein wichtiger Aspekt an Grundbedurfnissen!!
Ich war gestern bei einer Frauenärztin mit meiner Tochter, die eine ausreichend große Toilette benötigt um ihre Windeln (ich sag’s mal direkt) im Stehen mit Assistenz zu wechseln. Da hatten wir Glück, obwohl auch hier keine Behinderten Toilette, also auch für Rollstuhlfaher zum Beispiel war. Leider ist das bei sehr vielen Ärzten so!!!
Außerdem ist in den Praxen die gesamte Bewegungsfreiheit für gehbehinderte Menschen für meinen Geschmack zu selten ausreichend.
Richtig positiv aufgefallen ist mir das kürzlich als bisher einzige wirkliche mir bekannte Ausnahme bei einem Augenarzt. Da stimmte alles.
Aber nur ein Arzt bei so vielen Besuchen und Praxen, die ich kenne???!!!