Wer mich kennt, weiß, dass ich kein großer Sportfan bin. Die EM in diesem Jahr hat mich genauso wenig interessiert wie der letzte Sieger irgendeiner Pop-Deutschland-sucht-Superstar-Staffel. Auch mein Interesse an den Olympischen und Paralympischen Spielen ließ in der Vergangenheit sehr zu wünschen übrig. Nicht, weil ich selbst keinen Sport außer vielleicht E-Hockey richtig ausüben könnte (ist das olympisch?), sondern einfach, weil ich den Pathos nicht ertragen kann. Ja, die Leistungen der Sportler sind toll, aber bei den Kommentatoren und Berichten zum Behindertensport kam mir in den letzten Jahren immer zu viel "Trotz der Behinderung"-Tonalität mit ins Spiel. Auch Bundespräsident Joachim Gauck kommt in seiner Rede bei den Paralympics nicht drum herum.
Deswegen fand ich es Anfang des Jahres umso interessanter, als ich in einem Artikel gelesen habe, dass Sir Philip Craven, des Internationalen Paralympischen Komitees (IPC), am liebsten das Wort "Behinderung" aus dem Wortschatz der Paralympischen Spiele streichen möchte, weil es von den sportlichen Leistungen ablenkt. Es scheint im ersten Moment utopisch, dass das Wort Behinderung aus der Berichterstattung verschwindet, aber die Intention von Graven ist nachvollziehbar. Denn nicht nur bei Sportlern, sondern auch bei anderen Menschen mit Behinderungen steht das "B-Wort" in Artikeln gerne im Mittelpunkt. Ob es nun bei Stephen Hawking ist, bei dessen Assistenten-Suche die Behinderung wichtiger zu sein scheint als seine wissenschaftlichen Erkenntnisse, oder Sänger Thomas Quastoff, dessen Contergan-"Schädigung" aktuell wieder häufiger benannt wird als seine musikalischen Leistungen.
Bei den Sozialhelden haben wir darüber nachgedacht, wie eine klischeefreie Berichterstattung erreicht werden kann, wenn man das "B-Wort" schon nicht vermeiden kann. Und so haben wir vor zwei Wochen Leidmedien.de gestartet und sind gespannt, was passiert. Auch die Paralympionikin Christiane Reppe hat dankenswerterweise mitten in den Paralympics-Vorbereitungen einen Artikel zu Leidmedien geschrieben. Als Testimonial wirbt sie neben der Olympiakandidatin Franziska Schreiber in der inklusiven ARD-und-ZDF-Kampagne für die Berichterstattung zu den olympischen und paralympischen Spielen. Der Claim: "Zwei Sportlerinnen – Ein Ziel – Erste sein".
Ich gebe zu, dass meine Begeisterung für die Paralympics in den letzten Wochen doch zugenommen hat. Der Grund ist wahrscheinlich mein persönlicher Bezug zu einigen Sportlern und das gestiegene mediale Interesse. Es ist das neue Gesprächsthema im Büro. Sogar ein Poster von Heinrich Popow hängt in meiner Küche! Ich freue mich über die zwei Wochen in London und hoffe, dass die Begeisterung für den Sport steigt und die Vorbehalte gegenüber Behinderungen sinken. Nichtsdestotrotz ist mein Wunsch, dass ich mir die nächsten Spiele in Rio nicht mehr mit einem politischen Interesse an der Sprache anschauen werde, sondern nur noch allein wegen einiger sehr spannender Sportarten.
Apropos: Welche paralympischen Sportarten gefallen euch am besten?
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.
Eine Antwort zu “Klischees wett kämpfen”
[…] ist. Die oben beschriebene Aktion würde meine Behauptung bestätigen, und auch die Paralympics im letzten Jahr haben viel dazu beigetragen, dass behinderte Menschen nicht mehr nur eine Randgruppe sind, sondern […]