Nachdem ich das letzte Mal das Kino also nicht besucht habe (Danke, Miley Cyrus!), hatte es mich mit Chips und Cola nun doch noch in ein Lichtspielhaus getrieben. Denn überraschenderweise war "Ziemlich beste Freunde" im rollstuhlgerechtesten Kino der Stadt, und das muss man dann irgendwie schon mal ausnutzen. Außerdem möchte ich ja mitreden können, wenn mich schon alle fragen: "Hast du den Film gesehen?" "Nein?!" "Oh, das musst du unbedingt machen, der ist …" und so weiter.
In kürzester Zeit hat mich der Film mitgerissen, dabei war nicht unbedingt der Identifizierungsprozess mit dem Hauptdarsteller (ich habe einfach keine Villa und kein Geld) im Vordergrund, sondern der tolle Umgang mit dem Thema "Selbstbestimmt leben mit Assistenz".
Auch ich bin auf Assistenten angewiesen, die mir im Alltag assistieren, oder besser gesagt: "meine Arme und Hände sind", wenn ich sie brauche. Gleichzeitig sind Assistenten aber keine Diener, wie man es sich vielleicht vorstellt. Genau wie im Film trägt auch keiner meiner "Assis" einen weißen Kittel. Das würde ich, genau wie Phillippe im Film, auch nie wollen. Denn Assistenten sind weder Diener noch Krankenschwestern. Das würde mich kränker machen, als ich in Wirklichkeit bin.
Ich kann keinem Assistenten sagen, dass ich am Abend gerne ein schönes Roastbeef haben möchte, sondern muss mit ihm einkaufen gehen und dann beim Kochen genaue Anweisungen geben. Und wenn es dann nicht schmeckt, ist es meine Schuld. Schließlich habe ich falsch angeleitet. In meiner WG gibt es klare Regeln. Wenn ich mal wieder an der Reihe bin, das Bad zu reinigen, und versuche, es zu verdrängen, dann sagen meine Mitbewohner nicht zu meinen Assistenten: "Nun mach doch mal das Bad sauber", sondern sie müssen es mir sagen, und ich muss dann früher oder später mit meinem Assistenten im Bad stehen.
Dieses "selbstbestimmte Leben" bringt mich trotzdem manchmal in ein Dilemma, weil ich auf der einen Seite nicht bedient werden möchte, es aber auf der anderen Seite auch komisch finde, jedes Mal neben meinem Assistenten zu stehen und zuzusehen, wie er putzt etc.
Jeden Tag habe ich 12 Stunden Assistenz. Und das seit über 7 Jahren. Da kann es auch schon mal vorkommen, dass mein Assistent ohne mich einkaufen geht, genauso wie ich es auch manchmal ohne meinen Assistenten mache.
Es war schade, dass der Protagonist in "Ziemlich beste Freunde" so reich war, weil leider dadurch ein interessantes Thema nicht zur Sprache kam: die Bezahlung von Assistenten. Im Gegensatz zu Phillippe leben die meisten Rollstuhlfahrer (mich eingenommen) nicht in großen Villen und kaufen sich auch nicht für tausende von Euro Bilder, sondern gehen verschiedenen Berufen nach. Da kommt es oft zu Konflikten mit der Assistenzbezahlung. Denn diese werden über das Sozialamt bezahlt, und wenn ich in meinem Job "zu viel" verdiene, werden die Leistungen gekürzt, und ich müsste selber für die Kosten aufkommen oder müsste erst gespartes Geld aufbrauchen, bevor es Unterstützung gibt. Aus diesem Grund darf ich in keinem Job Vollzeit arbeiten und frage mich dann, worin hier eigentlich die Selbstbestimmung liegt?
Natürlich würde ich es gerechtfertigt finden, dass ich für die Kosten aufkommen sollte, wenn ich sie mir auch leisten könnte. Aber wenn man "was Soziales mit Medien und Internet" macht, ist man weit davon entfernt, sich einmal in der Woche Unterstützung für den Haushalt zu leisten, und schon gar nicht 12 Stunden am Tag.
Nichtsdestotrotz kann ich jetzt endlich die Frage "Wie fandest du den Film?" mit "Großartig!" beantworten, und ich hoffe, dass es in Zukunft noch mehrere Filme geben wird, in dem nicht die Beeinträchtigung, sondern die Menschlichkeit im Mittelpunkt steht.
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.
Eine Antwort zu “Ziemlich beste Assistenten”
[…] die gleichen Rechte und Pflichten erhalten. Das bedeutet auf der einen Seite, dass man gerechte Unterstützung bei Assistenzen bekommen sollte, gleichzeitig Steuern bezahlen, aber keine Angst vor Altersarmut haben sollte. Das bedeutet auch, […]