Ein alltägliches Bild: Menschen steigen aus der U-Bahn und gehen Richtung Rolltreppe. Wieso zur Rolltreppe, wenn doch daneben die Treppe liegt? Was haben Menschen, die Treppen gehen können, auf einer Rolltreppe zu suchen? Koffer, Fahrrad, Kinderwagen lassen sich auch mit Muskelkraft eine Treppe hoch- und runterwuchten, ein nach einem Sportunfall geschientes Bein ist noch kein Grund für Stillstand, und Bequemlichkeit schon gar nicht. Müssten Rolltreppen also nicht für Menschen mit Schwerbehindertenausweis reserviert bleiben?
Warum haben öffentliche Verkehrsmittel überhaupt Sitze? Warum essen Restaurantgäste nicht an Stehtischen? Menschen können bequem sein oder müde – als „behindert“ gelten sie deswegen nicht. Ein paar wenige Sitzplätze für Menschen mit ausgewiesener Gehbehinderung würden doch genügen. Klingt komisch?
Seltsamerweise wird beim Bau von barrierefreien Zugängen in erster Linie an Menschen mit möglichst angeborenen Behinderungen gedacht und in zweiter Linie: Lohnt der Aufwand überhaupt für diese Minderheit? Doch sind die Rolltreppen, Aufzüge, Rampen, Rollbänder, breiten Türen, Ansagen und Untertitel erst einmal da, werden sie von allen gern genutzt. In Bahnen und Bussen sind nicht nur blinde Menschen dankbar für akustische Ansagen, sondern auch die, die an ihrem Tablet arbeiten, ein Buch oder auf ihrem Smartphone etwas lesen.
Und auf Netflix, zum Beispiel, sind Untertitel nicht nur Menschen mit bescheinigter Gehörlosigkeit oder Hörschwäche vorbehalten. Untertitel können genauso gut von Menschen zugeschaltet werden, die gerade keine Kopfhörer dabeihaben, aber nicht den ganzen Waggon mitunterhalten wollen oder von Menschen, die das englische Filmoriginal durch deutsche Untertitel ergänzen wollen.
An wen denken wir also, wenn wir von „barrierefrei“ sprechen? Die Frage ist falsch gestellt: Barrieren richten sich nicht gegen bestimmte Menschen, sondern gegen das Erreichen von Zielen. Es muss also heißen: An welche Einschränkungen denken wir beim Wort „barrierefrei“? Es sind die Einschränkungen durch angeborene Krankheiten, vorübergehende Krankheiten, Unfälle, hohes Alter, Kinder im Tragealter, durch momentane Müdigkeit, allzu menschliche Bequemlichkeit, durch Gepäck, Mobilitätsdruck, durch unseren ganzen normalen Alltag, kurz: die Einschränkungen jener Menschen, die nicht über den Dingen schweben können. Also aller Menschen.
2 Antworten zu “Es gibt keine Barrierefreiheit, die Menschen ohne Behinderung je geschadet hat!”
Ansagen in Bus und Bahn sind ebenso für nicht ortskundige Fahrgäste wichtig.
[…] nach auch die Barrierefreiheit in der Fläche. Der Inklusions-Aktivist Raul Krauthausen beschrieb in seinem Blog, dass nicht nur behinderte Menschen von Barrierefreiheit profitieren. Die Agentur Barrierefrei NRW […]