Heute Morgen habe ich meinen Freund gebeten ein paar Nacktbilder von mir zu machen. Aufgrund meiner Behinderung ist es mir nicht möglich, mich nackt vor den Spiegel zu stellen und mich von allen Seiten zu betrachten. Ich könnte mich zwar nackt im Rollstuhl vor den Spiegel stellen, aber dann würde ich nicht alles sehen können. Meinen Rücken (meine Narbe an meinem Rücken), meine Schultern, meinen Po, meine Vulva und meine Beine von hinten würde ich nicht sehen können. Daher lasse ich mich immer mal wieder fotografieren. Heute hatte ich einfach das Bedürfnis mir meinen Körper anzusehen und ihn vielleicht sogar ein wenig zu bewundern.
Gar nicht so lange her wäre dieses Bedürfnis für mich unvorstellbar gewesen. Dadurch, dass ich mir meinen Körper nicht ansehen konnte, basierte meine Körperwahrnehmung auf dem Feedback anderer. Den größten Anteil an Feedback bezüglich meines Körpers erhielt ich von Ärzten. Seitdem es mich gibt, sind meine Eltern mit mir von einem zum nächsten Arzt gerannt. Es wurde ständig darüber diskutiert, wie man meinen Körper „verbessern“ könnte. Sicher haben mir Eingriffe von Ärzten auch mein Leben erleichtert, aber das Ganze hinterließ bei mir auch ein unschönes Gefühl. Als gäbe es an mir ziemlich viele Defizite. Mir wurde immer wieder gesagt, dass ich ein hübsches Gesicht habe, aber zu meinem Körper habe ich kaum positive Kommentare erhalten. Stattdessen hörte ich oft: „Schade, dass du im Rollstuhl sitzt, so hübsch“. Meine Familie war ebenfalls stets darauf bedacht, dass ich bestimmte Stellen an meinem Körper verdecke. Insbesondere ging es dabei darum meine Skoliose zu verstecken. Ich bin mir sicher, dass es nicht die Absicht meiner Familie war in mir Scham zu schüren. Wahrscheinlich wollte man mich vor weiteren Hänseleien schützen. Ich kam oft weinend nach Hause und berichtete, dass die Kinder mich wieder gefragt haben, ob ich schwanger sei, weil mein Bauch und meine Rippen aufgrund der Skoliose mehr nach vorne gewölbt sind. Meinen Körper teilweise zu verstecken, war vielleicht gut gemeint, aber die Folgen sind gravierend. Denn es begleitet mich bis heute.
Als ich mir diese Fotos heute Morgen ansah, habe ich daran gedacht, wie sehr ich damals darunter gelitten habe mich hässlich zu fühlen. Mittlerweile schäme ich mich auch nicht meine Assistenz danach zu fragen, ob sie mir meinen Körper fotografieren können, weil ich mich gerne betrachten möchte. Es ist mein Recht zu beobachten, inwiefern sich mein Körper vielleicht verändert oder generell zu wissen, wie er aussieht. Wenn es einem nicht möglich ist, sich seinen Körper anschauen zu können, dann sollten Wege gefunden werden. Nicht zu wissen, wie der eigene Körper aussieht, kann zu zerstörerischen Gedanken führen und das hat wirklich niemand verdient!
Eines der Bilder von heute Morgen gefiel mir so gut, dass ich mich dafür entschied es auf Instagram online zu stellen. Ich habe sowas bisher noch nicht gemacht. Auf dem Bild liege ich auf dem Bett. Ich wurde von hinten fotografiert und zeige meinen gesamten Rücken und meinen Po. Dafür, dass ich vor ein paar Jahren stets darauf bedacht war, größtenteils meinen Körper zu verdecken, war dies heute Morgen ein großer Schritt für mich. Natürlich macht man sich Gedanken darüber, welche Konsequenzen das haben könnte. Habe ich nun schlechtere Chancen einen Job zu kriegen, wenn solche Bilder von mir im Internet sind? Ich bin mir allerdings auch sicher, dass dadurch gesellschaftliche Normen verändert werden können, wenn sich mehr Menschen zeigen, wie sie sind. Das kann jeder für sich entscheiden, wie er oder sie das machen möchte. Ich habe die Hüllen fallen lassen und es hat sich befreiend angefühlt.
Ich möchte mich nie wieder verstecken!
Eine Antwort zu “Kein Versteckspiel mehr”
Was soll ich dazu sagen? Auf jeden Fall: Daumen hoch! Mehr Selbstbewusstsein (also: sich selbst bewusst sein) hat noch nie geschadet!