Kübra Gümüşay ist Journalistin, Aktivistin, Bloggerin und muslimische Feministin.
Geboren in Hamburg, studierte sie hier und in London Politikwissenschaften, lebte in Oxford und kehrte schließlich wieder in ihre Geburtsstadt zurück.
Sie hatte Deutschland verlassen, weil sie sich als Muslima hier nicht mehr wohlgefühlt hatte.
Trotz des momentan so offensichtlichen Rechtsruckes in Deutschland findet sie, es gibt eine gute und mächtige Gegenbewegung. So viele Menschen, die merken, dass ein politisches Umdenken stattfinden muss. Und die aktiv werden.
Einer der Gründe, weshalb sie sich entschied, nach Deutschland zurückzukehren.
Nach wie vor ist Diskriminierung eines ihrer wichtigsten Themen. Mit der Kampagne #SchauHin machte sie mit anderen Aktivisten*innen zusammen Alttagsrassismus sichtbar. Als Mit-Initiatorin von #ausnahmslos setzte sie ein Zeichen gegen sexualisierte Gewalt und Rassismus.
Das Deutschlandradio hat Gümüşay zu den prägenden Köpfen des Islam in Deutschland erklärt – und sie ist eine der wichtigsten Vertreterinnen des moslemischen Feminismus.
Auf der Web-Konferenz re:publica hielt sie in diesem Jahr einen Vortrag mit dem Titel “#OrganisierteLiebe”.
Sie erzählte über ihre Diskriminierungserfahrungen als Feministin und Muslima, Hasskommentare und organisierte Hater-Attacken.
Und appellierte an die Zuschauer*innen aktiv zu werden. Weil es nicht mehr ausreicht, Hatespeech zu muten und die Hater zu blocken.
Während Gümüşay redete, kamen ihr mehr als einmal die Tränen – und es war klar: Was sie sagt hat Substanz, sie hat Diskriminierung und Hass massiv erlebt.
In einer Weise, die uns als privilegierten weißen Deutschen nicht vorstellbar ist.
Sie stand in dem Moment für all’ die, denen rassistische und sexistische Diskriminierung widerfährt.
Aber sie ist kein Opfer, sie ist Überlebende. Sie kann die Hasser hinter sich lassen und ihnen mit Aktivismus begegnen.
Frühmorgens mache ich mich auf den Weg nach Hamburg.
Im Zug treffe ich die beiden Redakteur*innen, mit denen zusammen ich in den letzten Wochen das Konzept für ze.tt ein neues Web-Format entwickelt habe: „Krauthausen trifft“.
Diesmal wird es nicht um Behinderung gehen.
Das Thema mit meinen Gästen wird sein: Erfahrungen, Meinungen und Aktionen gegen Diskriminierung. Ganz allgemein.
Es gab eine lange Liste an möglichen Interview-Partnern*innen. Einstimmig haben wir uns Kübra Gümüşay als erste Gästin gewünscht – und sie sagte sofort zu.
Es ist sind 30 Minuten Interview geplant – aus denen ca. 4 Minuten geschnitten werden.
Auf der Bahnfahrt gehen wir die Interview-Fragen noch einmal durch.
Schon in der Vorbereitung wurde klar, dass es schwer wird, sich mit der Aktivistin auf ein halb-stündiges Gespräch zu beschränken.
Wer Kübra Gümüşay kennt weiß, dass sie das Konzept ihrer Vorträge oft kurz vor der Veranstaltung noch einmal komplett umwirft – uns geht es ähnlich. Weil wir all’ die Fragen, die uns durch den Kopf schwirren, niemals in 30 Minuten unterbringen können, beschränken wir uns spontan auf wenige Schwerpunkte.
Und so sortieren wir jede Menge vorbereitete Moderationskarten aus und handgeschriebene kommen dazu.
Kübra Gümüşay und ich treffen uns in einem Hinterzimmer der Ausstellung “Dialog im Dunkeln” in der Hamburger Speicherstadt.
Bei den Recherchen war ich über ein Interview gestolpert, in dem Gümüşay sagte: „Ich gebe nicht gerne die Hand zur Begrüßung“. Ich bin ein bisschen verunsichert ob dieser Information – winken? Einfach lächeln stattdessen?
Aber Kübra kommt auf mich zu, eine schmale junge Frau mit einnehmendem Lächeln, reicht mir ihre Hand und sofort sind wir ins Gespräch vertieft.
Jetzt da ich sie live treffe, wird mir noch mal mehr bewusst, was ich schon in den Videos und Interviews wahrnahm: Kübra Gümüşay brennt für ihre Themen.
Ihre Hände fliegen, beschreiben – liegen selten still im Schoß. Mit Vehemenz verleiht sie ihren Worten Nachdruck.
Wir reden über den Fall Gina-Lisa Lohfink, den Umgang der Medien mit dem Model, das von der Anklägerin zur Angeklagten wurde, Victim Blaming und Sexismus. Über die Sportmoderatorin Claudia Neumann, die einem Shitstorm ausgeliefert war, als sie letztens ein EM-Männer-Fußballspiel moderierte. Über Möglichkeiten gegen den Hass vorzugehen: online und offline. Über Gümüşays Kampagne #organisierteLiebe.
Und dann ist die Zeit schon um. Ich hätte gerne noch zu so vielen Themen die Meinung der Aktivistin erfahren.
Liebe Kübra: Wir sind deine Fans! Wir feiern dich! Du machst uns Mut und gibst uns Inspiration! (sb)
Weiterführende Links:
Kübra Gümüşay:
- Ein Fremdwörterbuch – der Blog von Kübra Gümüşay
- Die muslimische Bloggerin Kübra Gümüşay
- Twitter-Account von Kübra Gümüşay
- Kübra Gümüşays Kolumne in der taz (wird leider nicht mehr fortgeführt, ist aber zeitlos lesenswert)
Organisierte Liebe:
- Der Talk “Organisierte Liebe” auf der re:publica
- Die Website zur Kampagne “Organisierte Liebe”
- #OrganisierteLiebe: Wieso wir Menschen im Netz sagen sollten, wenn wir sie gut finden
- Hass auf Frauen im Netz: Mit Liebe gegen den Mob
Der Fall Gina-Lisa Lohfink:
- Warum Gina-Lisa Lohfink unsere Heldin ist
- Gina-Lisa Lohfink: Wenn ein „Hör auf“ nichts mehr wert ist
- Ein Opfer von Sexismus
- Warum wir zu Gina-Lisa Lohfink halten sollten
Weiteres:
(sb)
Eine Antwort zu “Krauthausen trifft: Kübra Gümüşay über den Gina-Lisa-Lohfink-Prozess und Hass im Netz und #OrganisierteLiebe”
Ich lese regelmäßig Frau Gümüsay, da sie mich unglaublich fasziniert und auch inspiriert. Ich finde es super, dass sie euer erster Gast ist.
Leider hat sie recht, dass man sich meist nur zu Wort meldet, wenn man etwas zu mäkeln hat.
Wenn etwas im Restaurant schlecht gelaufen ist, erzählt man es sofort weiter. Aber wenn mal alles tiptop war, dann nimmt man es leider meist als gegeben hin und lobt es nicht (ausdrücklich). Ich denke, wenn man öfter mal seine Anerkennung formuliert, gibt man den Menschen ein gutes Gefühl und informiert sie darüber, dass man die Arbeit anerkennt und wertschätzt…