Die Corona-Krise und was sie mit meiner Behinderung gemein hat

Mitte März, als noch keine coronabedingten Ausgangsbeschränkungen in Bayern beschlossen wurden, aber dennoch die Krise im Alltag der Menschen längst spürbar war, fuhr ich mit meinem Rollstuhl am Nachbarsgrundstück vorbei. Dort halfen die Kinder der Nachbarin, die bereits nicht mehr die Schulen besuchen durften, beim Waschen des Familienautos. Wir grüßten uns und kamen ins Gespräch: Natürlich ging es dabei um den Corona-Virus und dessen Auswirkungen. Die Nachbarin meinte zu mir, dass nun die Einschränkungen in ihrem Familienleben deutlich zu Tage träten und wollte wissen, wie ich damit umgehe. Eine kurze Zeit stockte ich und erwiderte dann, dass ich so oder so eingeschränkt wäre. Sie nickte verständlich und verwies sodann auf die eingeschränkten sozialen Kontakte. Auch hier antwortete ich ihr, dass ich gewohnt wäre, meine Spaziergänge bei ausreichend warmem Wetter im Alleingang zu machen. Warum ich euch diesen kurzen Austausch zwischen mir und meiner Nachbarin berichte? Weil mir, und vermutlich auch meiner Nachbarin, bewusst wurde, dass sich mein Leben aufgrund der Beschränkungen durch die Corona-Krise im Wesentlichen nicht deutlich veränderte. Die Einschränkungen des öffentlichen Lebens, die nun auch „nicht-behinderte“ Menschen betreffen, sind für mich fast schon Alltag. In den Wintermonaten beispielsweise habe ich behinderungsbedingt meine ganz persönlichen und jährlich wiederkehrenden „Ausgangsbeschränkungen“, denn ich kann bei kaltem Wetter kaum vor die Tür. Zu schnell kühle ich aus, was meine spastischen Bewegungseinschränkungen deutlich verschärft. Wenn ich doch mal vor die Türe trete, dann nur dick eingepackt mit Fußsack, Wärmflasche und natürlich Begleitung. Dass das einen gehöriger Aufwand für mich, aber auch mein Umfeld bedeutet, ganz zu schweigen von dem anschließenden Saubermachen meiner Räder, brauche ich, glaube ich, nicht besonders zu erwähnen. Ebenso ist meine Freizeitgestaltung ganzjährig sehr eingeschränkt: Selbst kann und darf ich kein Fahrzeug führen, bin also stets auf Dritte angewiesen. Und obwohl ich im Speckgürtel einer großen Stadt wohne, gibt es hier bei uns momentan lediglich fahrzeugabhängige Verkehrsverbindungen. Sicherlich: Wir haben auch Busverkehr, doch ohne Begleitperson ist auch dieses Verkehrsmittel mit meinen momentanen Mitteln nicht zu bewältigen. Da es bislang auch kein niederschwelliges und finanziell stemmbares Angebot für mobilitätseingeschränkte Menschen für deren Freizeitgestaltung gibt, ist mein Radius in den warmen Monate auf wenige Kilometer beschränkt. Doch möchte ich damit nicht sagen, dass ich unglücklich wäre. Mein Vorteil gegenüber den „nicht-behinderten“ Menschen, die nun aufgrund von Corona eingeschränkt werden, ist es schließlich, dass ich gelernt habe, mit diesen umwelt- sowie behinderungsbedingten Beschränkungen umzugehen. Ebenso habe ich noch die Fähigkeit, mich an Kleinigkeiten, die mir möglich sind, zu erfreuen. Was ist also mein Fazit? Behinderte Menschen, die darüber hinaus noch mobilitätseingeschränkt sind, bewältigen ihre ganz persönliche „Corona-Krise“ und das meistens ein Leben lang. Und was noch wichtiger ist: Ohne zu verzagen! Vielleicht ist die Corona-Krise auch ganz unerwartet eine Möglichkeit, bei den „nicht-behinderten“ Menschen mehr Verständnis für unsere alltäglichen Beschränkungen zu erwecken, wer weiß. In den letzten Wochen zumindest gab es keinen „nicht-behinderten“ Menschen in ganz Deutschland mehr!



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