Na, freut Ihr Euch auch schon so sehr auf die Zeit der „Personenzentrierung“? Ich stell‘ mir bei dem Wort eine Szene aus Star Trek vor. Die USS Disability befindet sich in einem aussichtslosen Kampf gegen die Bürokratie-Schlachtschiffe der Vogonen. Der erblindete Geordi La Forge muss vom gegnerischen Schiff gebeamt werden. Da ruf Lieutenant Data: „Der Beamvorgang wurde unterbrochen. Der Positronenstrahl ist nicht personenzentriert.“ Schreie im Hintergrund.
Nein, im Ernst: Die Personenzentrierung stellt uns und das Rechtssystem vor eine Schwierigkeit. Wie kann Recht & Gesetz einerseits so individuell wie jedes einzelne Leben sein und doch allgemeingültige Grundsätze aufweisen? Und wie können wir diese individualisierbaren Grundsätze allen Rechtsanwendern, insbesondere in Behörden und Ämtern, verständlich machen?
Leider hat sich der Gesetzgeber beim Bundes-„Teilhabe“-Gesetz nicht viel Mühe gemacht, diese Grundsätze zu formulieren. Vielmehr hat er einen Rahmen gebildet, der eine harte Ober- aber nur eine weiche Untergrenze kennt. Von der Obergrenze hat schon jeder gehört und es ist wie ein Fluch im Leben von Menschen mit Behinderungen: der Mehrkostenvorbehalt. Er regelt, dass bei vermeintlich mehreren vorhanden Alternativen für Hilfeleistungen dasjenige bevorzugt wird, welches die geringsten Kosten verursacht. Wer aber bestimmt, ob zwei unterschiedliche Leistungen überhaupt als Alternativen zueinander betrachtet – also verglichen – werden können?
An der Stelle kommt die Zumutbarkeit ins Spiel. Die weiche Untergrenze und das Grundübel des BTHG. Denn der Gesetzgeber entschied, dass nur die Leistungen miteinander verglichen werden dürfen, die zumutbar sind. Was sich im ersten Moment noch nach „personenzentrierter und individueller“ Fragestellung anhört, entpuppt sich beim zweiten Blick als Verdikt über die Art und Weise, wie Menschen mit Behinderungen leben dürfen. Immer dann, wenn der nächste Schritt zu einer Normalisierung und Deinstitutionalisierung von Unterstützungssystem gemacht werden könnte, stellt der Mehrkostenvorbehalt die Frage nach der Zumutbarkeit der Vergangenheit. Und solange wie wir es bejahen, dass unselbstständige und entmündigende Systeme zumutbar sind, genau so lange werde progressive Hilfesysteme sich mit der Vergangenheit in einem finanziellen Unterbietungswettbewerb messen müssen.
Die Lösung ist eine Umkehr. Nicht die Frage nach der Zumutbarkeit darf die Leistung bestimmen, sondern die maximal zu erlangende Selbstbestimmung. So wäre sichergestellt, dass zwei Alternativen, die tatsächlich zu einer gleichen Selbstbestimmung führen, weiterhin miteinander verglichen werden dürfen, aber eben nicht günstige und bevormundende Systeme der Vergangenheit.
Dann hätte ich auch nicht mehr die Angst, dass bei einer falsch durchgeführten „Personenzentrierung“ meine Existenz versehentlich aufgelöst wird.