Schwer von Begriff

Ich finde Begrifflichkeiten immer wieder ein spannendes Thema. Inzwischen haben viele Hörende schon so weit verstanden, dass „taubstumm“ kein okayer Begriff ist für Menschen, die weniger akustisch und mehr visuell unterwegs sind. Das geht inzwischen sogar so weit, dass in den Kommentarspalten den Betroffenen vorgeworfen wird, dass sie „taub“ als Selbstbezeichnung nehmen. Dabei ist gerade der Begriff völlig in Ordnung. Problematisch ist nur das „stumm“, vor allem wegen der „dumm“-Assoziationen.
Wie nennt man aber nun diejenigen, die hören können, aber nicht gebärden? Manchmal redet man schon von „Hörenden“, aber dann heißt es gleich entschuldigend in Richtung „Hörender“ in der Runde, die gebärden können, „Nicht du, du weißt schon“, und allen ist klar, was gemeint ist. Aber dennoch sind eigentlich Hörende einfach Hörende, ob sie nun gebärden können oder nicht. Sollte man meinen. Aber irgendwie trifft es das nicht ganz.
Seit einiger Zeit kursiert der Begriff der „Gebärdensprachler“. Finde ich irgendwie auch ganz nett und lenkt die Aufmerksamkeit weg von der Gehörlosigkeit als medizinischem Fehler, als Krankheit, als Behinderung. Hin zu einer Vorstellung von einer sprachlichen Minderheit. Kann man dann auch Gehörlose, die nie Kontakt zur Gebärdensprache hatten, „Nicht-Gebärdensprachler“ nennen? Ich fände es fast schon richtig, hier von „Hörenden“ zu sprechen, sinngemäß also „hörend aufgewachsenen“. Aber das sagt auch wenig aus. So viele hörend aufgewachsene Gehörlose sind kaum als solche zu erkennen.
Da denke ich mir fast, dass „Gebärdensprachler“ eigentlich eine schöne Lösung ist. Aber die Realität ist noch zu sehr eine andere: In der Gesellschaft werden wir als Behinderte wahrgenommen und nicht als sprachliche Minderheit. Aber vielleicht kann hier ja tatsächlich die Sprache, also in dem Fall die sehr konkrete Wortwahl, ein Bewusstsein schaffen? Ich freue mich jedenfalls über Begriffsvorschläge, wie man Nichtbehinderte effektiv bezeichnen kann. Gern auf einzelne Behinderungen zugeschnitten.



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