Stolz statt Vorurteile

Sportlerin Christiane Reppe: Stolz mit Behinderung, statt gegen Vorurteile zu kämpfen.
Sportlerin Christiane Reppe: Stolz mit Behinderung, statt gegen Vorurteile zu kämpfen. (Foto: Andi Weiland)
Ich treibe mich viel auf YouTube herum und zeige auch gerne meinen Arbeitskollegen einen tollen Videoclip. Immer öfter entdecke ich dabei auch junge Menschen mit Behinderung, die stolz sind, statt gegen Vorurteile zu kämpfen.
In einem Lehrbuch für „Wie verhält man sich als guter Chef“ würde ich wohl als Negativbeispiel aufgeführt werden. Nicht, wenn es um die Sozialhelden-Struktur geht oder unsere Projekte, sondern wenn es ums YouTube-Videos-Gucken im Büro geht. Da bin ich wohl alleiniger Anführer in der Liste „Hey, guckt mal hier, was ich für ein Video gefunden habe“. So habe ich auch letztens erst wieder das ganze Büro vor mein Laptop gelockt, um das Video zu zeigen von einem Mädchen, das nur einen Arm hat und sich einen französischen Zopf flechtet.

Einige Frauen und unser langhaariger Pressesprecher waren beeindruckt und meinten nur: „Das schaffe ich ja nicht mal mit zwei Armen!“

Junge Generation von Menschen mit Behinderung auf YouTube, Facebook und Co

Das Video war für mich ein schönes Beispiel dafür, dass es eine junge Generation von Menschen mit Behinderungen gibt, die sich nicht mehr so stark mit den Kämpfen gegen Vorurteile auseinander setzen muss/will, sondern lieber gleich per YouTube, Facebook und Co zeigt, wie ihr Leben aussieht. Wenn ich an meine Jugend denke, als ich so alt wie das Mädchen war, dann erinnere ich mich daran, dass mir meine Behinderung zum ersten Mal so richtig bewusst wurde, weil sie mich in manchen Dingen einschränkte. Ich habe nicht mehr mit anderen Kindern im Sportunterricht Fangen gespielt, sondern wurde von dem Leistungsvergleich ausgeschlossen. Auf der einen Seite hätte ich bei dem Leistungsvergleich wohl nicht gut abgeschnitten, aber auf der anderen Seite wurde ich dadurch von meinen Freunden getrennt, weil ich früher nach Hause geschickt wurde und die anderen ihre Verabredungen in den Umkleidekabinen getroffen haben.

Zeigen, dass die Behinderung nicht alles an mir ist

In der Zeit dachte ich oft: Verdammte Behinderung, kann ich nicht irgendwie zeigen, dass sie für meine Freunde kein Problem ist?
Vielleicht hätte ich in dem Alter auch einen YouTube-Kanal eröffnet oder irgendwas anderes gemacht, um zu zeigen, dass die Behinderung nicht alles an mir ist. Problem nur: Das Internet war noch weit weg.
Als ich mir meiner Behinderung immer mehr bewusst wurde, dachte ich auch, dass ich gegen Vorurteile kämpfen müsste, obwohl es sie manchmal noch gar nicht gab. Ich wurde irgendwie zum Klassenclown oder auch manchmal ein bisschen arrogant, wenn mich beispielsweise Menschen auf der Straße zu lange angeschaut haben.

Selbstbewusster Umgang mit der Behinderung

Ich weiß nicht, ob es nur mir so geht, aber ich habe geglaubt, dass ich als Mensch mit einer Behinderung Abwehrmechanismen entwickeln müsste, um mich nicht immer wegen Vorurteilen zu rechtfertigen oder auch manchmal zu schämen.
Jetzt sehe ich das Video von dem Mädchen mit nur einem Arm oder eine andere Frau, die sich eine Prothese aus Lego baut, an und denke nur: Wow, gehen die schön selbstbewusst damit um! Fast so, als wollten sie sagen: Ja, mir fehlt ein Bein oder Arm, aber es ist mir egal, was du denkst. Auch in meinem Freundeskreis sehe ich bei jüngeren Menschen mit Behinderungen, dass sie „lockerer“ damit umgehen als ich damals.

 
Ob es jetzt David Lebuser ist, der mit seinen Rollstuhl auf Halfpipes herumskatet,

 
oder Christiane Reppe, die als Handbikerin gerade alles gewinnt, was es so gibt, und sich uns auf Bildern als stolze Sportlerin präsentiert.
Vielleicht ändert sich ja doch langsam was und wir können mehr zeigen, dass wir stolze Menschen mit Behinderungen sind, statt gegen Vorteile zu kämpfen. Es wäre zumindest ein schöner Gedanke!
Dieser Text entstand für das Inklusions-Blog der Aktion Mensch.



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