Die trügerische Verheißung der Robotaxis

Robotaxi

Im heutigen digitalen Zeitalter werden wir oft von der faszinierenden Idee autonomer Fahrzeuge – z. B. den sogenannten Robotaxis – in den Bann gezogen. Sie versprechen eine Zukunft der Unabhängigkeit und Mobilität, insbesondere für Menschen mit Behinderungen. Doch wie nahe ist diese utopische, barrierefreie Zukunft wirklich?

Die Realität der Mobilitätsbarrieren

Statistiken zeigen, dass sieben von zehn behinderten Amerikaner*innen ihre täglichen Fahrten aufgrund von Mobilitätsbarrieren reduzieren. Dies trägt maßgeblich zu niedrigeren Beschäftigungsraten von Menschen mit Behinderungen bei. Es ist daher nicht verwunderlich, dass Robotaxi-Unternehmen die Vorteile für diese Personengruppe als Grund für die schnelle Einführung autonomer Fahrzeuge anführen.

Zugänglichkeit als Schlüsselfrage

Während in den USA Unternehmen wie Cruise und GM Prototypen für rollstuhlgerechte, autonome Fahrzeuge entwickeln, bleiben grundlegende Fragen, wie die Sicherung eines Rollstuhls im Fahrzeug ohne fremde Hilfe, unbeantwortet. Es gibt bisher kein überzeugendes Konzept. Nur Prototypen, die noch lange nicht marktreif sind. Die derzeitige Landschaft der autonomen Mobilität ist immer noch weitgehend unreguliert und unterliegt keinen Standards im Sinne der Barrierefreiheit. Auch in Bereichen der Stadt- und Verkehrsplanung in Deutschland lässt sich beobachten, dass das Bewusstsein für die Notwendigkeit von Barrierefreiheit fehlt. Menschen mit Behinderung werden oft erst nachträglich in Planungsprozesse einbezogen, statt von Anfang an berücksichtigt zu werden.

Bei der Planung und dem Aufbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wurde zunächst kaum Rücksicht auf die Bedürfnisse von Menschen mit Behinderung genommen. Dies zeigt sich unter anderem darin, dass Ladesäulen häufig nicht barrierefrei zugänglich sind. Erst im März 2023 erschien ein Leitfaden, der in Zusammenarbeit mit dem Sozialhelden e. V. entwickelt wurde und sich speziell mit der Barrierefreiheit von Ladesäulen auseinandersetzt. 

Auch bei der Infrastruktur von Parkhäusern und Parkplätzen ist nur zu einem geringen Prozentsatz ein barrierefreier Zugang enthalten. 

Die Vernachlässigung von Barrierefreiheit in vielen Bereichen der Mobilität zeigt die mangelnde gesellschaftliche Verantwortung und das Versäumnis, alle Mitglieder der Gesellschaft in den Fortschritt und die Transformation der Mobilität einzubeziehen. Neue Technologien müssen in einen gesellschaftlich verantwortungsvollen und inklusiven Rahmen eingebettet werden und ethischen und praktischen Anforderungen genügen. Um wahrhaft inklusiv zu sein, müssten alle Stufen einer Fahrt, sowie Verkehrs- und Stadtbild für Menschen mit kognitiven, Entwicklungs-, Seh-, Hör- und Mobilitätsbehinderungen zugänglich sein.

Wucherpreise: ein Hindernis für die Inklusion

Die Preise für Fahrdienste wie Uber und Lyft in den USA sind gestiegen, was sie für viele in der Behindertengemeinschaft unerschwinglich macht. Auch in Deutschland berechnen Taxianbieter oft mindestens 50 € pro Fahrt. Sie begründen das damit, dass der Aufwand höher sei. Wie kann bei autonomer Mobilität sichergestellt werden, dass Robotaxi-Unternehmen nicht denselben Weg gehen und die selbstständigen Fahrzeuge nur Wohlhabenden zugänglich sind?

Regionale Ungleichheiten

In ländlichen und einkommensschwachen Gebieten sind die genannten, hippen Fahrdienste oft gar nicht ansässig. Können Robotaxis diese Lücke wirklich füllen, oder werden die anbietenden Firmen, wie andere gewinnorientierte Unternehmen, rentablere Gebiete bevorzugen?

Sicherheitsbedenken

Studien und Unfälle zeigen, dass autonome Fahrzeuge Schwierigkeiten haben, unvorhersehbare Verkehrssituationen zu navigieren und z. B. auch Menschen mit Behinderungen im Stadtbild zu erkennen. Dies stellt ein erhebliches Risiko dar und erhöht die Sicherheitsbedenken.

Lösungen der Gegenwart statt Wundertechnologien der Zukunft

Die anhaltende Hoffnung auf bahnbrechende Technologien im Bereich der Mobilität, die jedoch immer kurz vor der Marktreife zu stehen scheinen, ohne diese jemals wirklich zu erreichen, muss hinterfragt werden. Diese Erwartung führt zu einer Art Entscheidungsunwilligkeit, bei der konkrete, gegenwärtig umsetzbare Maßnahmen zur Mobilitätswende vernachlässigt werden. Das beschreibt auch Katja Diehl in ihrem Buch “Raus aus der AUTOkratie – rein in die Mobilität von morgen!” (März 2024). Der Glaube an zukünftige Technologien, wie autonomes Fahren, lenkt von der Notwendigkeit ab, aktuelle Probleme direkt anzugehen. Es entsteht eine Diskrepanz zwischen der Begeisterung für futuristische Technologien und der realen Umsetzung effektiver Mobilitätslösungen.

Eine Zukunft jenseits der Technologie

Auch, wenn wir zukünftig vielleicht tatsächlich zugängliche und sichere Robotaxis haben werden, müssen wir uns fragen, ob dies wirklich die Zukunft ist, die wir anstreben. Zum einen werden bei der Implementierung neuer Technologien häufig wesentliche Aspekte übersehen, was zu praktischen und ethischen Problemen führt. Beispielhaft hierfür sind die Nichtbeachtung des Eichrechts sowie die mangelnde Barrierefreiheit bei der Einführung von Ladesäulen. Zum anderen geht es aber auch darum, die Notwendigkeiten der individuellen Mobilität (eine Person in einem Auto, Staus usw.) zu reduzieren, Gemeinschaften neu zu denken und inklusiver zu gestalten, mit erschwinglichem, barrierefreiem Wohnraum und Landnutzungsentscheidungen, die die Erreichbarkeit von notwendigen Dienstleistungen und zuverlässigem, barrierefreiem ÖPNV priorisieren.

Die Rolle der Medien

Medien tragen häufig dazu bei, den Status quo zu erhalten, indem sie innovative Ideen oder politisches Neudenken für die Mobilitätswende nicht ausreichend unterstützen. In der Berichterstattung besteht eine Tendenz, technologische Lösungen zu bevorzugen und populärenAkteuren eine Plattformzu geben, während grundlegende Veränderungen in der Mobilitätspolitik vernachlässigt werden. Es ist unerlässlich, dass Medien eine aktivere Rolle in der Förderung von nachhaltigen und sozial gerechten Verkehrslösungen einnehmen.

Wir müssen für eine barrierefreie mobile Zukunft kämpfen

Wir dürfen uns nicht von den Versprechungen zukünftiger Technologien ablenken lassen, die nur existieren werden, wenn sie Gewinne generieren. Es ist eine Frage der Organisation, der Regulierung und der Förderung von Gemeinschaften, die für alle zugänglich sind.



5 Antworten zu “Die trügerische Verheißung der Robotaxis”

  1. Hallo Raul.

    Der letzte Absatz ist der wichtige. Autonomes Fahren finde ich grundsätzlich attraktiv, z.b. wenn ich an urbane Bereiche denke und dann primär als Ergänzung des bisherigen ÖPNV.
    Ich sehe als Betreiber auch eher kommunale oder sonstige öffentliche Verkehrsanbieter.

    Dass Mobilität für alle möglich sein muss und daher mit allen geplant werden sollte (zumindest so lange wir keine Planenden haben die es schaffen das mitzudenken) ist klar und leider auch, dass dies in den wenigsten Fällen gemacht wird. (Meines Erachtens der häufigste Grund warum Barrierefreiheit oft teuer wird.)

    Und die Aufschieberitis vergleiche ich gerne mit der Katastrophenhilfe. Da nehm ich auch das was da ist und warte nicht erst bis ausdiskutiert ist ob es nicht eine effektivere Maßnahme gibt.

  2. Autonomes Fahren dürfte noch in weiter Ferne stehen , gute Idee aber dazu müste mM erstmal ein entsprechedes Netz gebaut werden , denn es werden sich immer weniger Menschen einzelverkehr leisten können . Erstens der Preis für Fahrzeug und Energie , zweitens fehlende Straßen . Wir können es uns nicht mehr leisten immer mehr Natur für Bequemlichkeit , Fahrzeuge und Straßen zu zerstören .

    Viel sinnvoller finde ich es Carscheering , ÖFV , Radwege ect auszubauen und diese Barrierefrei zu gestalten .

  3. Bei aller Liebe, und all dem Gerede ueber das Umsetzen von Barrierefreiheit mit den gegenwaertigen Moeglichkeiten:
    Grundsaetzlich ist nichts dagegen einzuwenden. Fakt ist aber, dass wenn die Technologien der Zukunft barrierefrei gestaltet werden, wir als Behinderte mehr Moeglichkeiten haetten. Jetzt streikt die Bahn. Sehende Menschen koennen wenn sie wollen, sie messen nicht, aber sie koennen das Auto nehmen. Ich bin blind, habe also keine Moeglichkeit weg zu kommen. Auch wenn ich ungern innerhalb Deutschlands fliege, aber selbst wenn ich fliegen wollte, einen Flug buchen mit Check-in-Assistenz ist meistens auch nicht ohne fremde Hilfe buchbar, weil die Websites oft nicht barrierefrei sind.
    Ich will als Behinderte nicht gezwungen sein, entweder das Eine, oder das Andere zu tun, sondern selbst entscheiden koennen, ob ich das Robotazi oder den Zug nehmen will, und nicht aufgrund von mangelnder Barrierefreiheit, oder weil irgendwer entschieden hat, dass Barrierefreiheit wichtiger fuer eine Sache ist, nicht aber fuer die Andere! Barrierefreiheit sollte in jeder Hinsicht mitgedacht werden, und sollen die autonomen Autos gern kommen, und die Bahn barrierefreier werden. Wie man auf englisch sagt, the more the merrier. Dieses gegen einander abwaegen ist meiner Meinungnach totaler Quatsch!

  4. Autonome Mobilität kann im richtigen Kontext eine sinnvolle Ergänzung in der Mobilitätswende werden, z.B. autonom fahrender ÖPNV der dann durch Streik nicht mehr so stark eingeschränkt wird. Dafür muss aber noch viel passieren. Gerade im Straßenverkehr sind autonome Systeme noch extrem unausgereift (siehe Teslas 'full self driving' was man eher mit einem teilweise schlecht programmieren advanced cruise Controller vergleichen kann oder Uber die mittlerweile wieder Menschen hinterm steuer haben.) Aber selbst wenn es sie bereits geben würde, dann wären sie eher mit dem E-Auto vergleichbar. Eine Innovation, die zwar CO2 und Lärm Emissionen verringert, aber sonst keine der anderen Probleme des individuellen motorisierten Straßenverkehrs (Stau, Platzverbrauch, Unfallgefahr) löst. Autos sollten in Städten die Ausnahme nicht der Standard sein. Das würde auch vielen Menschen mit Behinderung zu gute kommen, da Rollstuhlfahrer zusammen mit allen anderen Fußgängern dann die Straße nutzen können und eine große Unfallgefahr für Sehbehinderte verschwinden würden.

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