Warum Inklusion uns alle angeht

Als Raul mich gefragt hat, ob ich eine Kolumne für seinen Newsletter schreiben würde, habe ich direkt ja gesagt. Doch dann wurde ich die zweifelnden Gedanken nicht mehr los, welches Recht ich überhaupt habe, mich hier zu äußern. Klar, beschäftige ich mich seit einiger Zeit im Rahmen meines Podcasts „Du bist wunderbar“ mit der Vielfalt der Menschen und somit auch mit Inklusion, habe selbst aber keine Behinderung und arbeite auch nicht im sozialen Bereich. Zum Glück beruhigte ich mich schnell wieder und machte eben diese Thematik zu meiner Kolumne: Warum Inklusion uns alle was angeht.

Ich erwähnte gerade, dass ich keine Behinderung im klassischen Sinn habe, aber ich kann mir dennoch annähernd vorstellen, welche Erfahrungen viele Menschen dann erleben, weil ich mit einer lateralen Gesichtsspalte geboren wurde. Dank der modernen Medizin wurde das aber sehr gut operiert, sodass ich mittlerweile keine Einschränkungen mehr habe. Je nachdem wen man fragt, sieht man mir das überhaupt nicht an oder es ist schon von Weitem erkennbar. Wahrscheinlich ist es irgendwas dazwischen, auch abhängig von der Fixierung der jeweiligen Person auf Äußerlichkeiten und was für Besonderheiten sie schon gesehen hat.

Früher habe ich darunter sehr gelitten – gar nicht unbedingt, weil mir viele denkwürdige Ereignisse passiert wären, sondern eher wegen meiner Einstellung mir gegenüber. Doch woran liegt das? Es wird ja niemand geboren in dem Bewusstsein anders zu sein, es sind die vielen Momente, in denen unsere Gesellschaft sich nicht in seiner vollen Vielfalt zeigt und einem so vorgaukelt, dass man aussehen und handeln müsste, wie die Models in der Werbung. Überall um uns herum wird ein Idealbild dargestellt, meist unter der Annahme, es gäbe die eine richtige Art zu sein. So sagt man Kindern bereits im jungen Alter, dass sie so hübsch aussehen in dem Kleid mit den geflochtenen Zöpfen, man erklärt Outfits für wenig schmeichelhaft und rät etwas Kaschierenderes anzuziehen und auch bezüglich des Verhaltens der Menschen gibt es genaue Vorstellungen, insbesondere in der Öffentlichkeit. Weicht man in irgendeinem Punkt von diesem Idealbild ab, ist man einfach nicht vertreten in den Medien, in Filmen, in Büchern und schlussfolgert daraus, dass dies einen Grund hat und man sich lieber verstecken sollte. Ich schätze mal, so geht es Menschen mit Behinderung ebenfalls. In meinem Podcast habe ich mal so lapidar gesagt, dass ich mich auf den Tag freue, wenn in einer stinknormalen Shampoowerbung beispielsweise ein Rollstuhlfahrer auftaucht, ohne das es anschließend thematisiert wird und besonders lobend hervorgehoben wird.

Bis wir an diesem Punkt sind, muss wohl noch eine Menge geschehen und genau da kommt jeder einzelne von uns ins Spiel. Viele von uns haben mehr Einfluss auf diese Entwicklung, als sie denken. Bei einer Veranstaltung kann man auf ein buntgemischtes Publikum sowie Redner achten. Wer eine Werbekampagne, Film oder Serie dreht, hat die Möglichkeit sich eine vielfältige Besetzung zu suchen. Ich plane beispielsweise einige Kinderbücher, in denen ich darauf achte. Jetzt werden vielleicht manche einwenden, dass der Personenkreis sicherlich überschaubar ist, der diese Möglichkeiten hat. Aber auch im normalen Alltag gibt es so viele Einflussfaktoren. Mehr Rücksicht zu nehmen und sich ganz bewusst mit anderen Sichtweisen, Leben und Problemen auseinanderzusetzen, die Leute anzusprechen. Denn häufig traut man sich aus Angst, sich falsch auszudrücken nicht und schließt die Menschen so ganz aus, um ihnen nicht auf den Schlips zu treten. In meinem Podcast habe ich auch schon falsche Sachen gesagt, aber wurde dann korrigiert und weiß es nun besser. Ganz einfach. Außerdem sollten wir gänzlich aufzuhören, Leute nach ihrem Aussehen oder ersten Eindruck zu bewerten sowie zu lästern und wenn man seine Denkweisen nicht ändern kann, wenigstens nicht darüber zu reden. Zudem kann man widersprechen und protestieren, wenn man ein solches Verhalten bei anderen mitbekommt.

Mit diesem Beitrag möchte ich nicht kleinreden, was da auf viel höherer Ebene wie der Politik noch zu tun ist, aber dazu aufrufen, sich nicht dahinter zu verstecken, weil man selbst ja keinen Einfluss habe. Jeder von uns kann etwas verändern. Vielfalt zu leben geht uns alle an.



2 Antworten zu “Warum Inklusion uns alle angeht”

  1. Guten Morgen, lieben Dank Ilka Brühl für die Kolumne, die mich sehr anspricht, weil es bei mir genau gegenteilig war und ist mit dem „Sich Trauen“ – ich traue mich fast immer, alles zu sagen, zu schreiben, früher habe ich mich sogar auf Stellen beworben, die eigentlich der Position nach „zu hoch“ waren. Klar, traue ich mich auch manchmal nicht, wenn ich richtig Angst habe, muss ich die erst los werden, was lange dauern kann.
    Sie schreiben immer im „wir“, ich bin kein „wir“ ich bin ein „ich“ – wie könnte ich im „wir“ schreiben, wenn ich nicht als Vertreterin einer Organisation schreibe, dann wäre das vielleicht angemessen, wenn „wir“ vorher abgestimmt hätten, was „wir“ sagen wollen.
    Sie möchten Kinderbücher machen – tun Sie das, ich kann Ihnen dabei nicht helfen, ich kann keine Kinderbücher machen.
    Shampoowerbung nervt mich, egal mit wem, ich will die gar nicht, jedenfalls nicht, wenn ein Film oder eine Dokumentation deswegen unterbrochen werden und das alle 10-15 Minuten.
    Wenn Sie gerne Kinderbücher machen wollen, warum erzählen Sie mir dann nicht einfach etwas über Ihren Traum, Kinderbücher machen zu wollen?
    Was mich selbst angeht, ich habe früher nicht so viel Bedürfnis gehabt, viel öffentlich zu schreiben, wie heute – ich habe einen Knacks, denke ich.
    Was aber die Arbeit als Schreiber oder „Buch-Macher“ angeht, das fängt beim Baby doch schon an, dass man anfängt zu lernen, egal was man hat, nicht hat, wer man ist oder nicht ist.
    Ich wollte immer lernen, will ich noch immer, immer weiter, immer lernen, und schreiben, ich habe immer gerne beschrieben, beschrieben vielleicht noch lieber als erklärt. Mit Job oder nicht Job, Geld oder nicht Geld hat das aber erst einmal nicht zu tun. Das ist einfach das, was mich ausmacht.
    Ein Buch machen, Lesen Lernen, Schreiben Lernen, Bilder machen lernen, Formatieren lernen, Seiten rechnen lernen, Buch Binden lernen, Buch vervielfältigen lernen, Buch vertreiben lernen, Finanzplan lernen – das gehört in die Bildung von Anfang an – zusammen.
    Dafür braucht man Geld – sonst wird es nichts – die Regierung ist gefragt, und das ist nicht „zu groß geredet“.

  2. Schöne Kolumne. Man muss übrigens gar keine Behinderung haben, um vom Thema Inklusion/Exklusion betroffen zu sein. Jedenfalls zählen einige Vertreter des sozialen Modells nicht nur Menschen mit einer sog. Schwerbehinderung bzw. Menschen die aufgrund ihrer „Abweichung“ (aufgrund einer bestimmten Diagnose berechtigt sind, einen Schwerbehindertenausweis zu tragen, zu den „behinderten“. Im Rahmen der Soziologie der Behinderung bzw. der Disability Studies wird dieser Begriff durchaus weiter gefasst. Der Soziologe Günther Cloerjes zählt hierzu z.B. auch übergewichtige Menschen. Es ist generell ein Thema, dass Mensschen, die aufgrund einer sog. „verkörperten [bzw. äußerlich sichtbaren] Differenz“ potenzieller Diskriminierung ausgesetzt sind, betrifft. Mögliche soziale Schwierigkeiten aufgrund von Äußerlichkeiten zählen auch dazu. In dieser Kolumne wird z.B. die Problematik des Lookism angesprochen, die eng mit Ableismus verknüpft ist (siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Lookism ).
    Ich bin ünrigens für gewöhnlich auch gegen den vorschnellen Gebrrauch des „Wir“ (Wie ihn z.B. momentan gewisse politische Kreise pflegen, wenn sie Parolen wie „Wir sind das Volk “ brüllen). In diesem Fall bzw. an den Stellen wo das in diesem Beitrag geschieht (was ja eigentlich gar nicht soo oft der Fall ist) finde ich es mehr als angebracht v.a. wenn man den Titel der Kolumne betrachtet. Natürlich sind wir alle Individuen, aber wenn Inklusion gelingen kann und muss trotzdem jede*r von uns im Rahmen seiner/ihrer Möglichkeiten etwas dafür tun. Um nichts anderes geht es hier und das ist erstmal ein Fakt, an dem es nicht zu rütteln gibt- Das war der Punkt um den es bei diesem „Wir“ geht, und dem kann keiner, der sich jemals ernsthaft mit dem Thema beschäftigt hat, widersprechen
    Ich kann ünbrigens auch gut auf Sxhampoo-Werbung (oder auf Werbung ganz generell) verzichten und ich denke, der Autorin dieses Beitrags (und allen anderen Leser*Innen) geht es genauso, aber darum geht es nicht. Das mit der Schampoo-Werbung war in dem Fall nur ein Beispiel!! Es geht eher darum, dass behinderte (oder ganz generell Menschen, die einem bestimmten Idealbild nicht entsprechen) in den Medien unterrepräsemtiert sind und das auf diese Weise eine bestimmte Art von „Normalität“ (re-)produziert wird. Behinderung ist (in den Meidien) nichts normales oder alltägliches. Das kann und muss sich ändern. Dem kann ich nicht wirklich widersprechen. Von daher schöne Kolumne.
    Was muss man eigentlich tun bzw. welche Voraussetzungen/Bedungungen muss man erfüllen um hier selbst eine Kolumne veröffentlichrn zu können/dürfen. Ich hätte nämlich auch Intwewaae

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