Die aktuelle Studie der BertelsmannStiftung “Unterwegs zur inklusiven Schule Lagebericht 2018 aus bildungsstatistischer Perspektive” deckt auf, dass Bildungs-Chancen für behinderte Schüler*innen maßgeblich vom Wohnort und der Art der Behinderung abhängen.
Die Diskussion rund um das Thema Schul-Inklusion hat zunehmend ihre Sachlichkeit verloren. Immer häufiger wird der Diskurs durch Gefühle, Ängste und persönliche Interpretationen bestimmt: “Behinderte Schüler bekommen zu viel Aufmerksamkeit, da kommt mein nicht-behindertes Kind einfach zu kurz.” – “Hat mein behindertes Kind an einer Regelschule überhaupt eine Chance?” – “Der Schulstoff nach Rahmenplan ist so viel – da halten behinderte Schüler nur auf, fürchte ich.”
Inklusions-Gegner wie der ehemalige Gymnasiallehrer Michael Felten verstärken die Verunsicherungen bezüglich der Schul-Inklusion, in dem sie in den Medien Angst machen, vor Mobbing gegenüber behinderten Schüler*innen warnen und zu “Schonräumen” in aussondernden Förderschulen raten.
Nun hat die BertelsmannStiftung am Montag eine aktuelle Studie veröffentlicht, die Fakten zu den gefühlten Wahrnehmungen in den Diskurs einbringt und die Diskussion wieder versachlichen kann.
Professor Klaus Klemm untersuchte für die Studie Exklusionszahlen bundesweit und länderbezogen. Dabei stellte er fest, dass sich die allgemeine Exklusionsquote seit der letzten Untersuchung 2008/09 von 4,9 auf 4,3 Prozent reduziert hat – wenn man davon ausgeht, dass Schüler*innen mit Förderbedarf eine homogene Gruppe wäre. Wenn man aber einzelne Behinderungsarten betrachtet, sieht es ganz anders aus: Es stellt sich heraus, dass bundesweit die Gruppe Schüler*innen mit dem Förderbedarf “Lernen” und “Sprache” klar sinkende Exklusionszahlen zu verzeichnen hat. In den Bereichen „Hören“ und „Sehen“ bleibt die Exklusionsquote unverändert – bei „Emotionale und soziale Entwicklung“, „Geistige Entwicklung“, „Körperliche und motorische Entwicklung“, „übergreifende Schwerpunkte“ und „ohne Zuordnung“ hat sie sich bundesweit im Durchschnitt erhöht.
Um zu betonen:
In den letztgenannten Bereichen gehen mittlerweile mehr Kinder in Förderschulen als 2008/09. Bildungs-Chancen für Kinder hängen also auch von der Art der Behinderung ab. Bezeichnend ist, dass der Gruppe der behinderten Schüler*innen, die in der allgemeinen Diskussion als am leichtesten inkludierbar gilt – die Kinder mit Körperbehinderung – der Besuch von Regelschulen häufig versagt bleibt.
Bemerkenswert ist außerdem, dass es große Unterschiede zwischen den einzelnen Bundesländern gibt.
Bertelsmann-Statistik:
Ob ein Kind mit Behinderung die bestmögliche Bildung erhält, hängt also zudem entscheidend von seinem Wohnort ab. In Baden-Württemberg, Bayern und Rheinland-Pfalz sind die Chancen als behinderte*r Schüler*in auf eine Regelschule zu kommen eindeutig geringer als zum Beispiel in Bremen oder Schleswig-Holstein. Und das muss sich schnellstmöglichst ändern.
Folgerichtig werden bundesweit einheitliche Qualitätsstandards und bessere Unterstützungssysteme für Lehrer gefordert. Dr. Jörg Dräger stellt klar:
Länder, die bei der Inklusion weit fortgeschritten sind, haben für Lehrkräfte effektive Strukturen etabliert – wie etwa die Zentren für unterstützende Pädagogik in Bremen oder die Förderzentren Lernen in Schleswig-Holstein.
Die Studie sollte uns helfen klar zu sagen:
Zum Thema Inklusion in der Schule muss noch viel getan werden, Rückschritte sind nicht akzeptabel – es geht jetzt darum, konstruktiv an Lösungen für ein gerechtes Schulsystem für ALLE Kinder zu arbeiten.
Die gesamte Studie und Zusatzinfos zum Nachlesen: “Mehr Inklusion von Schülern mit Lernhandicaps”
(sb)
Dieser Artikel ist in Zusammenarbeit mit Suse Bauer entstanden.
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