Das sind die Tücken des „Disability Pride Month“

Raul Krauthausen

Eine Tradition aus den USA kommt in Deutschland an: Um mit einem „Disability Pride Month“ im Juli eine positive Kraft aufzubauen, sind indes ein paar Missverständnisse auszuräumen. Was bedeutet „Stolz“ in dem Zusammenhang überhaupt? Und was kannst du als Verbündete*r tun?

Ein Grund, warum die Initiative nicht allgemein bekannt ist, insbesondere bei uns, ist, dass der „Disability Pride Month“ auf den Protest von Aktivist*innen im Jahr 1990 zurückgeht. Sie erklommen die Treppe zum Kapitol in Washington D.C. – im Rollstuhl, auf Knien, mit Krücken – und zwangen Präsident George H. W. Bush im Juli zur Unterzeichnung eines Meilensteins der Bürgerrechte für Menschen mit Behinderung: der Americans with Disabilities Act (ADA). So wurde der Juli ein Monat des Stolzes, der sogenannte „Disability Pride Month“:

Auch hierzulande bin ich für eine Feier gern zu haben. Erst recht, wenn es um eine von Selbstermächtigung geht:

Weltweit soll der Monat dazu dienen, die Erfahrungen und Erlebnisse von behinderten Menschen in ihren lokalen und globalen Gemeinschaften anzuerkennen und sichtbar zu machen. Immerhin machen wir 15 % der Bevölkerung aus. Der „Disability Pride Month“ ist eine Gelegenheit, darauf hinzuweisen, dass mehr getan werden muss, um die Welt für uns zugänglicher und inklusiver zu gestalten. Obwohl wir Fortschritte gemacht haben, sind wir nicht dort, wo wir sein sollten.

Beim „Disability Pride“ geht es, ähnlich wie beim „LGBTQIA+ Pride Month“ (im Juni), darum, unsere Sichtbarkeit in der Öffentlichkeit gleichzeitig zu feiern und einzufordern, denn Menschen mit Behinderungen werden immer noch viel zu häufig aus dem öffentlichen Raum verdrängt.

Mir würden auf Anhieb ein paar Probleme einfallen, für deren Lösung man in Deutschland auf die Straße gehen könnte. Da wäre etwa:

Allein das wäre Anlass genug für eine Protestbewegung von Flensburg bis Passau!

Aber, was bedeutet Stolz überhaupt?

Ich selbst habe den „Disability Pride Month“ erst vor ein paar Jahren entdeckt.

Anfangs haderte ich mit dem Begriff. Denn „Pride“, ins Deutsche mit „Stolz“ übersetzt, wirft erst mal die Frage auf: „Stolz worauf?“. Warum sollte man überhaupt Stolz auf die eigene Behinderung empfinden? Fühlt sich das nicht ein wenig masochistisch an? Stolz auf etwas zu sein, das aus Sicht der Mehrheitsgesellschaft (und teilweise meiner eigenen Internalisierung) im Grunde „nicht funktioniert“? Ist es nicht genug, dass ich meine Behinderung akzeptiere? Warum muss ich auch noch stolz darauf sein? Schließlich ist eine Behinderung ein Fakt. Weder schlecht noch gut fühle ich mich mit ihr. Man lebt ja mit ihr, es gibt keine Wochentage, an denen sie sich abmeldet. In ihr etwas weniger Wertiges zu sehen, ist also genauso komisch wie ihre Glorifizierung. Erzählt mal Leuten mit einer Behinderung, sie seien „besonders“ oder „anders begabt“. So etwas erlebt kaum ein behinderter Mensch als Kompliment, sondern vor allem als anstrengend. Worauf genau sollte ich also stolz in Bezug auf Behinderung sein? Dass meine Knochen bei einer Erschütterung besonders gut brechen? Dass mich die Dachdecker*inneninnung nicht unbedingt als Gastredner zu ihrer Jahreshauptversammlung lädt?

Die Gefühle, die ich beim Aufwachsen mit einer Behinderung empfand

  • Scham (das Gefühl, unvollkommen zu sein, der Liebe, Zugehörigkeit und Verbundenheit nicht würdig zu sein),
  • Schuldgefühle (das Gefühl, etwas getan oder versäumt zu haben, andere zu benachteiligen, eine Unannehmlichkeit gewesen zu sein),
  • Demütigung (das Gefühl, herabgesetzt und abgewertet zu werden)
  • und Verlegenheit (das Gefühl, etwas getan zu haben, das unangenehm war, aber eine flüchtige und nachvollziehbare Erfahrung ist).

Ich fühlte mich oft schuldig für das, was meine Familie oder Freund*innen alles machen müssen, um mir zu helfen. Schuldig, wenn in meiner Klasse, die anderen gelangweilt warten mussten, während die Lehrer*innen mich unterstützten. Ich schämte mich dafür, wer ich war.

Ich selbst habe im Laufe der Jahre eine schwierige Hassliebe zu meiner Behinderung entwickelt. Sie hat mir einige meiner dunkelsten Momente beschert, in denen ich mir wünschte, es wäre einfach alles anders.

Es gibt keinen richtigen oder falschen Weg, „behindert“ zu sein. Für manche ist es eine Identität. Für mich war es anfangs eine Schande. Für viele von uns ist es beides – und eine Entwicklung.

All diese negativen Gefühle haben sich in den letzten Jahren gewandelt

Im Frühsommer wurde ich von einem Auto angefahren. Ich überlebte, der dadurch geschrottete Rollstuhl rettete mich, aber das danach war nicht so nice. Die Schmerzen, das ewige Liegen – all dies wäre nicht weniger geworden, wäre jemand an mein Krankenbett getreten und hätte gesagt, ich könne doch stolz sein. Ganz im Gegenteil, ich wäre ihm*ihr wahrscheinlich an die Gurgel gesprungen (oder auch nicht. Mein Bein war schließlich gebrochen). So will ich diesen „Disability Pride“ unter keinen Umständen verstanden wissen. Ich bin nicht stolz auf meine Behinderung. Aber das Wichtige ist, ich schäme mich auch nicht ihretwegen. Nicht mehr!

Mit meiner körperlichen Beeinträchtigung kann ich mich nicht verstecken. (Was nicht bedeutet, dass Menschen mit „unsichtbaren“ Behinderungen es einfacher hätten. Der erlebte Ableismus ist nur ein anderer.) Ich falle immer auf, wie eine blinkende Neonröhre. Meist war ich der erste behinderte Mensch im Freundeskreis oder auf der Arbeit.

Das Wort „Stolz“ wird im Merriam-Webster-Wörterbuch definiert als

„eine angemessene oder gerechtfertigte Selbstachtung“

Ich denke, dass jeder einzelne Mensch mit einer Behinderung es verdient, stolz auf sich selbst zu sein und sich nicht von einer ableistischen Gesellschaft um diese angemessene und gerechtfertigte Selbstachtung betrügen lässt. „Disability Pride Month“ ist ein Anlass, die eigene Einzigartigkeit und die der anderen zu feiern. Stolz darauf zu sein, wer wir sind und dass wir sind.

Ich betrachte „Disability Pride“ eher als einen Oberbegriff für eine Kombination von Ideen, Stimmungen und Verbindungen:

  • Ein allgemeines Fehlen oder Nachlassen der Scham oder Verlegenheit über meine Behinderung und wie ich denke, dass sie von anderen wahrgenommen wird.
  • Ein Gefühl positiver, erfreulicher, stärkender Verbundenheit mit anderen behinderten Menschen, auch mit solchen, die ich nie traf oder von denen ich nie gehört habe.
  • Ich fühle mich glücklich und ermutigt, Teil einer Gemeinschaft und Kultur oder einer Gruppe von Gemeinschaften und Kulturen zu sein, in denen Behinderung die gelebte Verbindung ist.
  • Außerdem sollten wir nicht vergessen, dass eine Behinderung uns oft notgedrungen zu Problemlöser*innen und innovativen Denker*innen macht und dazu führt, dass wir die Welt durch eine einzigartige und somit auf einzigartige und wertvolle Weise wahrnehmen.

Das funktioniert jetzt alles ziemlich gut für mich. In dem Sinne, wie hier beschrieben, habe ich also diesen „Disability Pride“. Ich bin glücklich, den #DisabilityPrideMonth zu feiern. Aber es ist auch wichtig, zu wissen, dass es für einige behinderte Menschen einfacher ist als für andere.

Jede Reise eines Menschen mit Beeinträchtigung oder chronischer Erkrankung ist anders – mal eine Achterbahn der Gefühle, manchmal innerlich aufwühlend, verwirrend, einsam, aufregend und stärkend. Wir haben unsere eigenen Geschichten zu erzählen, wenn es um die Idee einer „Behindertenidentität“ oder um Stolz geht. Manche Menschen fühlen sich von der Gesellschaft unter Druck gesetzt, ihre Beeinträchtigung zu akzeptieren oder stolz auf sich zu sein, obwohl sie mit ihrem Zustand vielleicht nicht glücklich sind. Andere hassen das Konzept von Pride; sie argumentieren, es sei herablassend und verstärke nur den Gedanken, dass wir mit unserem Sein nicht glücklich wären.

Oft geht es auch um ganz konkrete Privilegien. Unabhängig von der Art der Behinderung ist es wahrscheinlicher, dass man sich auf den „Disability Pride“ konzentrieren und ihn feiern kann, wenn die materiellen Umstände gesichert sind, wie:

Die Idee des „Disability Pride“ oder sogar der Existenz einer „Behindertengemeinschaft“ ist recht neu. Einige stehen diesen Ideen skeptisch gegenüber, auch behinderte Menschen.

So gibt es behinderte Menschen, die sich bemühen, ihre Behinderungen herunterzuspielen und zu behaupten, sie seien „wie alle anderen“. Sie erhalten oft von der Mehrheitsgesellschaft unmittelbare und offensichtliche soziale Vorteile. Zwar werden behinderte Aktivist*innen manchmal bewundert. Aber sie sind immer nur eine provokante Aktion, eine unverblümte Bemerkung oder einen nicht perfekt formulierten Tweet davon entfernt, als Nörgler*innen, Unzufriedene oder „verbitterte Krüppel“ abgestempelt zu werden. Aktivist*innen, die von Selbstmitleid besessen seien und denen es an der für persönliches Glück und Erfolg notwendigen „Positivität“ fehle. Der Wunsch, nicht „so wie diese Leute“ zu werden, kann behinderte Menschen daran hindern, sich für behinderte Menschen einzusetzen.

Vor allem für Menschen mit neu erworbenen Behinderungen scheint Behinderung zunächst nur negativ konnotiert zu sein. Etwas, das man beschönigt, über das man nicht spricht und um das man sich besser nicht schert. So bleibt nur ein vergleichsweise kleiner Teil der behinderten Community übrig, der Behinderungserfahrungen als etwas ansieht, über das man nachdenken sollte, wenn man zur Wahl geht, oder als einen Grund für Aktivismus, der weit über die unmittelbaren Bedürfnisse hinausgeht.

Damit organisierter, kooperativer Behindertenaktivismus funktionieren kann, müssen behinderte Menschen bereit sein, sich als Teil einer Behindertengemeinschaft zu sehen und in die Ziele und Bestrebungen von Menschen mit Behinderungen zu investieren, die nicht nur sie selbst betreffen. Das ist keine leichte Aufgabe. Aus bedauerlichen, aber verständlichen Gründen fühlt sich bei Weitem nicht jeder behinderte Mensch in der Lage, dieser Aufforderung nachzukommen.

Hinzu kommt, dass behinderte Menschen manchmal unterschiedliche Bedürfnisse und Ziele haben. Denn natürlich ist Behinderung kein kleines Bündel von ein oder zwei Anliegen. Es gibt eine ganze Reihe gleichermaßen wichtiger, aber sehr unterschiedlicher Bedürfnisse, die Aufmerksamkeit erfordern. Sie reichen von Rampen an öffentlichen Gebäuden bis hin zu Einkommens- und Sparschwellen bei der Sozialversicherung. Von Gebärdensprachdolmetscher*innen und Möglichkeiten der Fernteilnahme an öffentlichen Versammlungen bis hin zu polizeilichen Praktiken. Einem Dutzend schwieriger Fragen im Zusammenhang mit behinderten Schüler*innen und Studierenden – von Beschäftigungsrechten bis hin zum Zugang zur Gesundheitsversorgung und deren Erschwinglichkeit. Von der häuslichen Pflege bis hin zur Handhabung von Rollstühlen durch Fluggesellschaften – vom Zugang zu Restaurants bis hin zu lebenslanger Unterstützung für behinderte Jugendliche. Teilweise ergänzen sich unterschiedliche Bedürfnisse, teilweise widersprechen sie sich untereinander. Ein abgesenkter Bordstein ist für mich wichtig, kann aber für Menschen mit anderen Behinderungen, zur Barriere werden. Zum Beispiel für Menschen mit Sehbeeinträchtigung, die den Bordstein zur Orientierung mit dem Langstock abtasten.

Es ist schon schwer genug für Behindertenorganisationen, sich darauf zu einigen, was die fünf wichtigsten Prioritäten in der Behindertenpolitik sein sollen. Es ist fast unmöglich für sie, sich in einer einzigen Frage so weit zu einigen, dass die Priorität von den meisten Beobachter*innen wahrgenommen wird. Selbst wenn es einem vergleichsweise kleinen Kern von Behindertenaktivist*innen gelingt, sich auf eine klar definierte und breit unterstützte Handvoll Ziele zu einigen, bleiben immer noch Millionen behinderter Menschen übrig, die das Gefühl haben, dass ihre Prioritäten zu Unrecht ignoriert oder ausgeklammert werden.

Wahrscheinlich schließen sich viele potenzielle Behindertenaktivist*innen nicht dem organisierten Behindertenaktivismus an, weil sie nicht sehen, dass ihre bevorzugten Themen angesprochen werden, oder weil sie nicht daran interessiert sind, an Themen zu arbeiten, die ihrer Meinung nach für jemand anderen bestimmt sind. Oder, und das ist ebenfalls nicht zu unterschätzen, weil die Veranstaltungen in Präsenz, ohne Dolmetschende für Deutsche Laut- und Gebärdensprache oder Leichte Sprache und somit für einige nicht barrierefrei sind. Es ist einfach schwer, bei einer so großen Bandbreite von Themen und Bedarfen eine Einheit zu bilden.

Es gibt keine formale Hierarchie innerhalb der Behindertengemeinschaft und der Behindertenorganisationen. Sie sind mehr oder weniger alle einer Vision der Chancengleichheit und der vollständigen Einbeziehung aller Arten von Behinderungen verpflichtet.

Ich beobachte allerdings eine Kluft zwischen Menschen mit sogenannten körperlichen Behinderungen und Menschen mit sogenannten geistigen oder kognitiven Behinderungen. Menschen mit für Außenstehende sichtbaren körperlichen Behinderungen – z. B. Rollstuhlfahrer*innen – haben in der Regel die meiste Aufmerksamkeit und prägen das populäre Bild der „Behindertengemeinschaft“. Menschen mit sogenannten “geistigen”, neurologischen, Lern- oder psychischen Behinderungen werden dabei ihren eigenen Koalitionen überlassen. Während behinderte Menschen die Behindertenfeindlichkeit der Nichtbehinderten bekämpfen, halten sie Ableismus untereinander oft aufrecht. In der Zwischenzeit führen Rassismus, Antisemitismus, Sexismus, Trans- und Queerfeindlichkeit, Klassismus, und andere Aspekte der Marginalisierung und Privilegierung auch weiterhin zu informellen, aber mächtigen Hierarchien in Behindertengemeinschaften und -organisationen.

Behindertenorganisationen werden in der Regel von Nichtbehinderten geleitet. Dass das so oft vorkommt, stellt an sich schon ein strukturelles Problem dar. Doch selbst wenn die Organisationen von behinderten Menschen geleitet werden, sind diese seit jeher körperlich und nicht geistig behindert, weiß, besser ausgebildet und passen leichter in die gehobene Mittel- und Berufsklasse.  Sie vermitteln der Öffentlichkeit ein sehr standardisiertes, mainstreamiges, konservatives und “beruhigendes” Bild von Behinderung. Schwarze, Braune oder indigene behinderte Menschen, behinderte Menschen of Color, jüdische Menschen mit Behinderung, queere Menschen mit Behinderung und behinderte Menschen, die aus armen Verhältnissen oder der Arbeiter*innenklasse stammen, sind nur selten in Führungspositionen zu finden oder werden kaum als Vertreter*innen von Behindertengemeinschaften vorgeschlagen.

All dies vermittelt Millionen von behinderten Menschen die Botschaft, dass sie selbst in Behindertenorganisationen, die sich für Gleichberechtigung und Inklusion einsetzen, ausgegrenzt werden. Dies wiederum untergräbt eine echte Behindertensolidarität.

Auch ist es schwer, die politischen Ansichten von Menschen mit Behinderungen zu erfassen. Es ist anzunehmen, dass die behinderte Bevölkerung politisch genauso gespalten ist wie die Bevölkerung insgesamt. Sowohl konservative als auch fortschrittliche Rollstuhlfahrer*innen legen Wert auf barrierefreie Toiletten. Eltern von Kindern mit Behinderungen ist der Zugang zu Bildung wichtig und behinderte Erwachsene wünschen sich bessere Beschäftigungsmöglichkeiten, unabhängig davon, wen sie gewählt haben. Aber allgemeinere politische Überzeugungen und Identitäten scheinen diese kleinen Bereiche potenzieller Überschneidungen bei spezifischen Behindertenfragen oft zu überlagern.

Liberale, konservative, progressive, radikale, populistische oder libertäre Ideologien können auch einen starken Einfluss darauf haben, wie behinderte Menschen grundlegende Bedürfnisse und Probleme sehen, die sie alle teilen. Letztlich scheinen die meisten behinderten Menschen auf der Grundlage ihrer Ideologie und politischen Identität zu wählen. Spezifische Behindertenfragen scheinen nur selten den Unterschied zu machen, den man erwarten würde, wenn behinderte Menschen für eine*n Kandidaten*Kandidatin oder eine Partei stimmen und nicht für eine andere.

Das ist nicht unbedingt eine schlechte Sache. Selbst für behinderte Wähler*innen gibt es in der Politik und im politischen Glauben mehr als nur ein oder zwei “Behindertenfragen”. Es bedeutet aber auch, dass es schwieriger ist, Parteien und Kandidat*innen davon zu überzeugen, dass behindertenpolitische Themen und Positionen einen echten Unterschied bei der Koalitionsbildung und der Wählbarkeit ausmachen können. Und es macht es für ideologische Gegner*innen schwieriger, in gemeinsamen Behindertenfragen zusammenzuarbeiten.

Ganz gleich, wie geeint die Behindertengemeinschaft ist oder eines Tages sein wird, es wird immer noch äußerst schwierig sein, wirklich gute Behindertengesetze zu verabschieden, solange Bund oder Bundesländer die Verantwortung von sich wegschieben , anstatt sie zu übernehmen. Außerdem beherrschen im Moment Corona (das durch Long Covid sowie ME/CFS die Gruppe der Behinderten radikal vergrößern wird), Inflation und der Krieg in der Ukraine (von dem selbstverständlich auch behinderte Menschen betroffen sind) die Nachrichten. Es mag möglich sein, gelegentlich ein kleines Behindertengesetz zu verabschieden. Aber große Reformen, die einen großen Unterschied machen könnten, scheinen unwahrscheinlich.

Es war schon immer schwierig, Wähler*innen, Kandidat*innen und gewählte Beamt*innen dazu zu bewegen, sich mit Behindertenfragen zu befassen. Es war schon immer schwierig, tatsächliche Änderungen und Investitionen durchzusetzen. Heute scheint es aus Gründen, die größtenteils außerhalb der Kontrolle der Behindertengemeinschaft liegen, schwieriger als je zuvor.

Ich könnte leicht weitere Gründe nennen, warum das alles so kompliziert ist. Aber was kann getan werden? Die meisten Lösungen sind breit angelegt und konzeptionell. Wie Behindertenaktivist*innen und -organisationen sie umsetzen können, lässt sich nur schwer im Detail sagen. Ein paar allgemeine Hinweise können jedoch nützlich sein:

  • Wir müssen weiter an einer umfassenderen Eingliederung innerhalb der Behindertengemeinschaft arbeiten.
  • Dafür müssen wir den Horizont der Behindertengemeinschaft erweitern und viel mehr mit anderen marginalisierten Gruppen zusammenarbeiten, auch bei Themen, die nicht ausschließlich Behindertenfragen betreffen.
  • Die bisher unpolitische Behindertenkultur benötigt ein Gefühl der Zugehörigkeit und der positiven Gemeinschaft. Diese müssen wir fördern, damit sich mehr von uns mit der Behindertengemeinschaft identifizieren und damit wir zusammenarbeiten können.
  • Dafür müssen wir aber auch ganz konsequent gegen Desillusionierung und Hoffnungslosigkeit in den eigenen Reihen ankämpfen.

Mehr Optimismus und nicht mehr Zynismus ist nötig, damit sich etwas bewegen kann!

Lasst uns also den Disability Pride Month nach Deutschland holen und in seinen Fokus stellen, dass es eine Behindertenrechtskonvention der Vereinten Nationen gibt, die Deutschland unterschrieben hat. Papier ist geduldig und bisher hat sich bei der Umsetzung wenig getan. Lasst uns laut werden, wenn möglich auf die Straße gehen, sichtbar sein und die Politik dazu bringen, unsere Anliegen ernst zu nehmen. Immerhin hatte sie sich dazu schon längst selbst verpflichtet.

Ein Pride Month soll kein verzweifelter Versuch sein, den „armen Behinderten“ Selbstvertrauen einzuhauchen, nach dem Motto: „Selbst du kannst stolz sein“. Schönrednerei wäre ebenfalls deplatziert. Und andere Gleichmach-Aktionen haben wir schon durch, wie die Schichtwechsel-Tage des Arbeitsplatztausches, bei denen Manager sich toll fühlten, weil sie ein paar Stunden in einer Werkstatt für Menschen mit Behinderung verbrachten und dachten, das habe etwas mit Inklusion zu tun. Am Tag darauf war alles nur Schall und Rauch.

Behinderte Menschen wollen keine Mitleids-, keine PR-Aktionen. Wir wollen echte Veränderungen. Denn wir sind Menschen mit Rechten, auf die wir nicht weiter verzichten werden. Wir sind selbstbewusst und bereit, für ein würdevolles Leben zu kämpfen. Das ist Pride!

Ein Juli des Disability Pride ist also weniger ein Monat des Destillierens positiver Auffassungen. Sondern einer der Selbstermächtigung, der Zugehörigkeit zu einer Bewegung, die einiges erreichte und vieles vor sich hat. Ein Monat des Stolzes und der Wut.

So kannst du mitmachen:

Ich werde versuchen, die Gemeinschaft der Behinderten zu unterstützen, wo immer ich kann. Meine Leidenschaft ist es, Barrieren abzubauen. Das war die treibende Kraft hinter der Gründung der SOZIALHELD*INNEN. Allerdings habe ich häufig das Gefühl, ständig dieselben Themen zu behandeln, und ertappe mich dabei, dass ich andere stellenweise kostenlos und wie selbstverständlich aufkläre. Aber ist das wirklich der Weg?

Ist es nicht auch die Verantwortung meines Gegenübers, sich vorab zu informieren? Ich spreche nicht von großen Recherchen; kleine Veränderungen können manchmal am meisten bewirken. Es gibt Schritte, die wir alle unternehmen können, um ein*e Verbündete*r zu sein:

Ich kenne viele brillante Verbündete in Sachen Inklusion, die keine Behinderung haben. Sie alle haben ein paar Dinge gemeinsam: Sie hören zu, nehmen zur Kenntnis, setzen ihre Stimme ein, wenn es nötig ist, und denken an Barrierefreiheit. Sie scheuen sich nicht, gegen Missverständnisse anzugehen oder andere aufzuklären.

Hier ein paar Tipps:

  • Behandle behinderte Menschen so, wie Menschen ohne Behinderung.
    Ich würde sagen, dass dies der erste Schritt ist, um ein*e gute*r Verbündete*r von Menschen mit Behinderungen zu sein, und eines der wichtigsten Dinge, die du tun kannst. Um den Rest zu erreichen, ist es eine Selbstverständlichkeit, uns mit Respekt zu behandeln.
  • Meistens brauchst du mit uns nicht anders zu sprechen als mit anderen.
    Man muss uns nicht anschreien oder mit uns sprechen, als wären wir ein Kind. Und was mir am wichtigsten ist: Sprich mit uns und nicht mit der Person, die uns assistiert.
  • Erst fragen.
    Wenn du glaubst, dass eine behinderte Person Hilfe oder Unterstützung wünscht, dann frag sie vorher. Respektiere es und reagiere nicht beleidigt, wenn wir „nein“ sagen.
    • Wenn eine behinderte Person ein Hilfsangebot annimmt, ist es wichtig, vorher zu fragen, wie geholfen werden kann.
  • Bilde dich weiter.
    Nimm dir die Zeit, dich über verschiedene Behinderungen zu informieren. Informiere dich über die verschiedenen Modelle von Behinderung. Informiere dich über die gesellschaftlichen Barrieren, mit denen wir konfrontiert sind. Gewinne ein tieferes Verständnis für Barrierefreiheit und dafür, warum sie wirklich wichtig ist.
  • Höre nicht auf zu lernen!
    Denk daran, dass es nicht nur an behinderten Menschen liegt, andere aufzuklären. Es gibt viele Ressourcen, die dir zur Verfügung stehen, also nimm es selbst in die Hand, zu lernen. Besorge dir so viele Informationen wie möglich. Wenn du nicht weiterkommst, wende dich an Menschen mit Behinderung. Denk aber bitte daran, dass wir nicht immer die Zeit oder die Energie haben, jeden einzelnen Menschen aufzuklären. Finde den Mittelweg zwischen der eigenen Suche nach Ressourcen und der Kontaktaufnahme.
    Selbst als behinderter Mensch lerne ich auch noch ständig dazu, versuche immer, mich weiterzubilden und zu informieren, und versuche immer, es besser zu machen. Das ist manchmal anstrengend, lohnt sich aber fast immer.
  • Denk über die Worte nach, die du verwendest.
    Sprache ist der Schlüssel. Sie spielt bei allem, was wir tun, eine wichtige Rolle. Wie bei vielen anderen Dingen in unserem Leben, gibt es auch im Zusammenhang mit Behinderungen eine bevorzugte Terminologie. Wenn jemand Betroffenes dich bittet, ein bestimmtes Wort oder eine bestimmte Formulierung zu verwenden, solltest du das berücksichtigen. Respektiere die Wünsche deines Gegenübers.
  • Rede nicht um den heißen Brei.
    Glauben mir, das ist für alle Beteiligten eine unangenehme Erfahrung. Scheu dich nicht, das Wort „behindert“ auszusprechen. Sag es mit Selbstvertrauen.
    • Natürlich gibt es auch Begriffe, die man vermeiden sollte, wenn du über Behinderung sprichst. Zum Beispiel: Ausdrücke wie „an den Rollstuhl gefesselt“ oder „besondere Bedürfnisse“.
  • Hör zu.
    Die Stimmen von Menschen mit Behinderungen werden oft nicht gehört oder nicht wahrgenommen. Wir fühlen uns regelmäßig ignoriert und missverstanden. Nimm dir die Zeit, uns zuzuhören.
    • Greif nicht ein und übernimm nicht das Gespräch. Lass uns zuerst ausreden. Auch wenn es ein wenig dauert.
    • Wenn du uns zuhörst, nimm zur Kenntnis, was wir sagen, und wenn du kannst, handle danach.
  • Sprich nie in unserem Namen und auch nicht für uns.
    Sondern lass uns zu Wort kommen. Du musst dich nicht als behindert bezeichnen, um dich für die Rechte von Menschen mit Behinderungen und für Barrierefreiheit einzusetzen. Du kannst dich zu Wort melden, unsere Inhalte weitergeben und andere Menschen aufklären.
  • Wenn ein Dokument nicht zugänglich ist, lass es den*die Absender*in wissen. Wenn ein Gebäude nicht zugänglich ist, sprich es an.
    Stößt du auf ein aktuelles Thema zu Behinderungen, nutze deine Plattformen. Wenn jemand etwas sagt, das ableistisch ist, korrigiere und informiere die Person. Schweige nicht.
  • Verstärke unsere Inhalte.
    Es gibt viele Menschen mit Behinderungen, die ihre Plattformen nutzen, um andere aufzuklären und ihre ableistische Grundhaltung zu ändern. Wir tun dies, weil wir unsere Erfahrungen teilen, das Bewusstsein schärfen und dazu beitragen wollen, die Welt für alle zugänglicher zu machen.
    Sich der Welt zu öffnen, kann manchmal beängstigend sein und ist nicht für jeden Menschen geeignet. Es gibt keine Verpflichtung dazu, nur weil man eine behinderte Person ist. Aber wir, die wir unsere Plattformen auf diese Weise nutzen, haben alle unsere eigenen Gründe, dies zu tun.
    Wie vielen behinderten Menschen folgst du in den sozialen Medien? Wenn du nicht weißt, wo du anfangen sollst, findest du hier einige interessante Instagram-Accounts, die ich unter #ActivistWednesday vorstelle, und Kolumnist*innen, die für unseren Newsletter aus ihrem Leben schreiben. Folge diesen wunderbaren Menschen, wenn du es noch nicht tust.
    Es dauert nur wenige Sekunden, einen Tweet zu retweeten oder einen Beitrag zu teilen, und wir wissen das mehr zu schätzen, als du ahnst. Es geht um mehr als ein einfaches „Gefällt mir“ oder „Teilen“ – Du verstärkst unsere Stimmen und zeigst deine Unterstützung. Du bildest dich und andere aktiv weiter. Damit machst du einen Unterschied.
  • Kontakte knüpfen.
    Nimm Kontakt zu Menschen mit Behinderungen auf, um mehr über sie und ihre Bedürfnisse zu erfahren. Du kannst auch dazu beitragen, einen geschützten Raum zu schaffen, in dem die Menschen ihre Gedanken und Ideen zu mehr Inklusion austauschen können.
  • Denke bei allem, was du tust, an Barrierefreiheit.
    Barriereabbau sollte ein integraler Bestandteil deines Lebens sein. Ob du Dokumente barrierefrei gestaltest, ein Unternehmen fragst, warum es keine Rampe hat, oder Fotos deiner Haustiere, die du in den sozialen Medien teilst, mit Bildbeschreibungen versiehst – Barriereabbau sollte Teil deiner Online- und Offline-Präsenz sein. Unabhängig davon, ob du direkt vom Abbau von Barrieren profitierst oder nicht, sollte es immer eine deiner Prioritäten sein, dazu beizutragen, dass Räume und Inhalte zugänglicher werden. Kläre andere über Barriereabbau auf. Du benötigst keinen direkten Kontakt zu behinderten Menschen, um deine Inhalte barrierefrei zu gestalten. Du solltest es einfach immer tun, egal in welcher Situation. Barrierefreiheit sollte sowohl im privaten als auch im beruflichen Leben eine Rolle spielen.
  • Bezahle uns.
    Am meisten stört mich, dass der Mainstream von behinderten Künstler*innen, Aktivist*innen, Akademiker*innen usw. ständig erwartet, dass wir unsere Zeit und unser Wissen kostenlos zur Verfügung stellen.

Ein*e Verbündete*r für Menschen mit Behinderungen zu sein, bedeutet nicht, dass man ein*e Expert*in ist. Es bedeutet, uns aktiv zuzuhören, uns zu unterstützen und andere aufzuklären. Wir alle können unseren Teil dazu beitragen, gute Verbündete für behinderte Menschen zu sein.

Wir müssen Wege finden, um mit der behinderten Gemeinschaft in Kontakt zu treten und diejenigen mit psychischen Problemen oder chronischen Krankheiten zu verstehen und darin zu unterstützen, vielleicht einmal auch ihre Beeinträchtigung ohne Angst vor Verurteilung zu offenbaren.

Niemand behauptet, dass die Auseinandersetzung mit Ableismus immer einfach ist. Alle Menschen machen manchmal Fehler. Es kommt darauf an, wie man aus diesen Fehlern lernt und als Mensch wächst. Ich bin froh, dass der „Disability Pride Month“ jedes Jahr mehr an Bedeutung gewinnt und dass die sozialen Medien es ermöglicht haben, die Botschaft zu verbreiten.

Als behinderter Aktivist kämpfe ich seit Jahren für eine Sensibilisierung in diesem Bereich. Und obwohl es gut ist, dass behinderte Menschen und unsere Anliegen immer häufiger in den Mainstream-Medien thematisiert werden, kommt es auf die Art und Weise an, wie sie thematisiert werden. Normalerweise werden die Geschichten so erzählt, dass Nichtbehinderte schockiert und empört sind. Aber für behinderte Menschen selbst ist Ableismus alles andere als eine Überraschung. Wir wissen, dass die Gesellschaft sich einfach nicht genug um behinderte Menschen kümmert. Wenn wir die Standard-Berichte lesen, erfahren wir als Betroffene nichts Neues, sondern sehen, wie vergangene Traumata in unerträglichen Details wieder hervorgezerrt werden, als Erinnerung daran, dass unser Schmerz einer guten Geschichte untergeordnet ist.

Ableistische, disablistische Vorfälle sind so alltäglich, dass sie Teil des gewöhnlichen Rhythmus unseres Lebens geworden sind. Wir werden in Zügen zurückgelassen, in der Öffentlichkeit belästigt und in Bussen abgewiesen, wenn sich Kinderwagen und Buggys in den zugänglichen Bereichen befinden. Wir können die meisten Cafés und Geschäfte nicht betreten, weil sie Stufen haben. Wenn du schon einmal versucht hast, dich mit einem Kinderwagen in deiner Umgebung zurechtzufinden, wirst du feststellen, wie wenige und wie uneinheitliche stufenlose Zugänge es gibt. Letztes Jahr musste ich selbst wochenlang im Krankenhaus verbringen, weil ich einen Bordstein heruntergefallen bin.

Der Aktivist Kay MacQuarrie dokumentiert seit Langem seine Probleme mit der Bahn auf Twitter, und er ist bei Weitem nicht der Einzige. Seine Berichte lesen sich wie eine Anthologie über missglückte Hilfeleistungen und die Vernachlässigung von behinderten Fahrgäst*innen. Und das passiert nicht nur in den Zügen und Flugzeugen selbst – die Unmöglichkeit, sich auf den Bahnhöfen zurechtzufinden, wenn das Personal nicht benachrichtigt wird oder nicht ausreichend geschult ist – oder schlimmer noch, wenn es einfach nicht genug Personal gibt – stellt ein ebenso großes Problem dar.

Neurologische Behinderungen verstärken durch Kommunikationsprobleme die Ignoranz, da sich nichtbehinderte Menschen schnell herausreden können. Schließlich hätten sich die Betroffenen „falsch“ ausgedrückt und der Ableismus sei gerechtfertigt. 

Dass so viele Menschen Ableismus und Disablismus als „gerechtfertigt“ betrachten, wurde während der Pandemie besonders deutlich – einer Zeit, in der wir am meisten hätten geschützt werden müssen – in der viele von uns das Gefühl hatten, dass nichtbehinderte Menschen uns am liebsten für immer einsperren würden, damit sie ihr Leben weiterführen können.

Es ist immer das gleiche Muster: Wir erleben Schock und Empörung, wenn große Artikel mit einem tragischen Bild einer behinderten Person in Not erscheinen, nur um dann innerhalb weniger Tage wieder vergessen zu werden. In der Behindertengemeinschaft nennen wir das „Inspiration Exploitation“ oder auch Inspirations-Ausbeutung: Ein zutiefst traumatisches Ereignis im Leben eines Menschen wird als Beispiel für Nichtbehinderte hochgehalten. Aber das brauchen wir nicht!

Was wir benötigen, ist, dass sich nichtbehinderte Menschen an Kampagnen beteiligen, um unser Leben zu verbessern, und dass sie nicht nur ihre Wut und ihre Bestürzung über Ableismus zur Schau stellen. Wir brauchen Menschen ohne Behinderung, um uns zur Seite zu stehen und echte Veränderungen zu fordern. Unterzeichne Petitionen, wähle Abgeordnete, die sich für behinderte Menschen einsetzen. Spende, wenn du kannst. Wir brauchen keinen Schock und keine weitere Empörung, wir benötigen Unterstützung!

Dieser „Disability Pride Month“ erinnert uns daran, dass es für behinderte Menschen schon radikal ist, einfach zu sein. Momente der Freude und der Solidarität in einer Welt zu finden, die für viele Menschen mit Behinderungen nach wie vor unwirtlich ist. Dieser „Disability Pride“ ist für die behinderte Gemeinschaft von der behinderten Gemeinschaft, und es geht darum, unsere Bedingungen und den Wert, den wir alle haben, zu akzeptieren. Fast jeder fünfte Mensch ist behindert. Das sind sehr viele Menschen. Wir bilden mit 1,2 Milliarden Menschen die weltweit größte Randgruppe und werden kontinuierlich größer. Die meisten Behinderungen werden erworben, nicht angeboren. Uns zu ignorieren, heißt, die eigene Zukunft zu ignorieren.



Eine Antwort zu “Das sind die Tücken des „Disability Pride Month“”

  1. Hallo Raul Krauthausen,

    besser hätte ich es nicht ausdrücken können. Ich habe ähnliche Erlebnisse und Erfahrungen gemacht. Auch ich sah und sehe keinen Grund, auf meine Behinderung stolz zu sein. Hin und wieder auf gelöste „Aufgaben“, welche das Leben so bietet. Allerdings bin ich auch der Meinung, „nicht beeinträchtigte Personen“ haben ebenfalls täglich Probleme und Aufgaben zu lösen. Es sind nur andere, als meine.

    Bisher habe ich solche Themen aber nur mit meinem engsten Umkreis zu besprechen. Fast täglich habe ich Erlebnisse (positiv und negativ), welche im Zusammenhang mit meiner Behinderung stehen. Diese Erlebnisse habe ich, obwohl ich fast nur noch im Bett liege. Sicher bin ich bei Facebook, Instagram usw. Dort habe immer nur über meine Haustiere gepostet. Einerseits, weil ich befürchte, dass meine Erlebnisse nicht interessant genug sind oder evtl. sogar nur nervend. Oft passieren in meinem Leben ähnliche Dinge, nur anders „verpackt“. Andererseits, fürchte ich, Grenzen anderer Menschen (vorrangig in meinem direkten Umfeld) zu verletzten. Deshalb poste ich auch keine Fotos von meinem Leben als beeinträchtige Person.

    Zur Sicherheit besuche ich lieber erst einmal einen Kurs, bevor ich eine Aufgabe übernehme – aber bitte schön im Hintergrund. Ich bin es gewohnt, mich um meine Belange zu kümmern (oft zu wehren) und gelte als extrovertiert (und nervend). Aber hier traue ich mich nicht. Bei den Sozialhelden durfte ich Wheelmap-Botschafter*In und Barriere-Scout werden. In dieser Gemeinschaft bekomme ich Anerkennung und das Gefühl „wichtig“ zu sein. Als ich schwer an Corona erkrankte, war diese Gemeinschaft und das dort vermittelte Gefühl „gebraucht“ zu werden, überlebenswichtig für mich. Ein Grund, um mein Leben zu kämpfen. Auch jetzt mit Long Covid bestärkt mich diese Aufgabe. Ich bin nicht stolz behindert zu sein, sondern sehr stolz, ein Teil dieser Gemeinschaft sein zu dürfen und für zukünftige Generationen das Leben „barrierefreier“ zu machen. Denn dies hätte ich mir schon in meiner Kindheit gewünscht. Leibe Grüße Conya Weidner

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